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Haube zeigen!

[ursprünglich geschrieben für wienerpost.at]

Zeig mir deine Haube und ich sag dir, wer du bist!

Am 30. November ist Blue Beanie Day 2009. Wer noch keine entsprechende Kopfbedeckung sein eigen nennt, hat also noch ausreichend Zeit, sich eine zu borgen oder sich schlicht mittels Photoshop eine aufs Haupt zu zaubern (Vorlagen dafür gibt es hier).

Stellt sich nur noch die Frage: Was soll das Ganze eigentlich?

Der Annual Blue Beanie Day wurde vor drei Jahren auf Facebook von einigen Anhängern des us-amerikanischen Webstandardista Jeffrey Zeldman ins Leben gerufen – als Zeichen für Webstandards und Barrierefreiheit im Internet.

Wie das funktioniert, erklärt ö1-Redakteurin Beate Firlinger:

Ein internationaler Aktionstag, an dem Menschen in verschiedenen Teilen der Welt blaue Mützen – Blue Beanies – tragen, sich damit abfotografieren, die Bilder in die Blue Beanie Day Group 2009 auf Flickr stellen, der Facebook Gruppe zum 3rd Annual Blue Beanie Day beitreten, dem Twitter Account @bluebeanieday folgen, selber fleißig twittern und posten oder die Profilfotos in den Social Networks mit Blaumützenbildern tauschen. Der offizielle Tag dazu lautet: bbd09 bzw. der Hashtag auf Twitter: #bbd09.

Ja natürlich ist das „Slacktivism“ in Reinkultur; Weltverbesserung vom Sofa aus. Wird meine blaue Strickmütze internationale Webstandards implementieren und das Leben für Menschen mit Behinderungen leichter machen? Kaum.

Aber sie schafft für’s erste einmal Aufmerksamkeit im persönlichen Umfeld. Erkundigen sich auch nur zwei Facebook-Freunde nach dem eigentümlich bemützen Profilfoto, so waren die vielen Reihen glatter und verkehrter Maschen nicht umsonst: Ein Gesprächsansatz, darum geht’s!

Wer sich darüber hinaus noch an Aktionen im Rahmen des #bbd09 beteiligen will, findet hier die jeweils aktuellsten Infos.

Ein internationaler Aktionstag, an dem Menschen in verschiedenen Teilen der Welt blaue Mützen – Blue Beanies – tragen, sich damit abfotografieren, die Bilder in die Blue Beanie Day Group 2009 auf Flickr stellen, der Facebook Gruppe zum 3rd Annual Blue Beanie Day beitreten, dem Twitter Account @bluebeanieday folgen, selber fleißig twittern und posten oder die Profilfotos in den Social Networks mit Blaumützenbildern tauschen. Der offizielle Tag dazu lautet: bbd09 bzw. der Hashtag auf Twitter: #bbd09.

Blue Beanie Austria

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Sophomore, my love

Das Englische, das wird Sax bestätigen, kennt Ausdrücke, die uns Standarddeutsch-User vor Neid erblassen lassen. Sophomore ist einer davon.

Ja, sicher „Zweitsemestrige(r)“ ist ein auch im deutschen Sprachraum existierender Terminus, aber ist er deshalb ein brauchbares Äquivalent? Eben.

Sophomore /?s?f?m??/

Allein die drei unterschiedlichen Os! Die sorgen für eine derart eigenwillige Klangfärbung, dass das banal Numerische sofort ein Geheimnis umwebt: Eine Zweitsemestrige findet man in der Exceltabelle der Studienprogrammleitung, Miss Somphomore hingegen abends im Pub. In einer Ecke wohlgemerkt, deren Beleuchtung den Inhalt ihres Glases nicht preisgibt.
So ist das mit den Sophomores.

Ich – hiermit sei mein Alter verraten – bin das erste Mal über das Wort gestolpert, als Cyndi Lauper ihr Album „True Colors“ veröffentlichte. Ihr Sophomore Album.
Uuh, raunte das Musikfeuilleton, „She’s so unusual“ [Album Nr. 1 – Anm. für die Spätgeborenen] war ein derartiger Nerv-der-Zeit-Treffer, dass ein Zweitling einfach abstinken muss. Zumal dem „sophomore album“ allgemein der Nimbus des Versagens anhaftet. Und hier ganz speziell.

Das wusste Cyndi: Sie ließ sich Zeit. Hatte echt Schiss davor – zumindest solange, bis sie den ultimativen Befreiungsschlag setzte und beschloss, Album Numero Zwo schlicht auszulassen. Statt dessen gleich das dritte auf den Markt bringen. Bingo.
Vielleicht stimmt die Story ja nicht, aber in meinem Kopf hat sie sich so abgespielt. Frau Lauper hat’s in einem nicht mehr googlebaren (weil pre-Web) Interview gesagt. Und mir hat es sich tief in Hirn und Seele gebrannt.

Mein nächste denkwürdige Sophomore-Begegnung fand im Kino statt.
Definitely, Maybe. Eine wirklich nette romantic comedy with a twist, in der Kevin Kline einen Literaturprofessor spielt, der aber auch gar nichts anbrennen lässt.

Protagonist: [she] tells me you’re dating a sophomore.

Kevin Kline: No, its two freshman. Which, on a good day, add up to a sophomore, I suppose.

Da war es wieder. Und wieder genau auf den Punkt.

(Also vergessen wir schnell mal, dass ich den Schmäh natürlich stehenden Fußes geklaut und meinem damaligen Crush ein Date mit zwei 17jährigen angeb– … nun, wie gesagt: vergessen wir’s schnell. Er hat’s ohnedies nicht kapiert damals.)

Dies hier jedenfalls, ist meine dritte Begegnung der sophomorischen Art: Mein Sophomore Blogpost für Zeit im Blog 21.

Natürlich hätt ich was über das Laternenfest schreiben können, bei dem #Kind2 in aller Hartnäckigkeit singt: „(…) Der Smarties-Mann, der zieht voran. Ra-bimmel Ra-bammel Ra-bumm.“
Denn dass das Ganze was mit dem Heiligen Martin, infolge eben auch mit einem „Martins Mann“ (WTF anyway?), aber sicher nicht mit einem Werbeträger für Schokolinsen, zu tun hat, mag sie als Nicht-Katholikin nicht einsehen.
Ja, hätte ich schreiben können. Dem Kinderwahnsinn sein Blog, wie Ettmayer fordert.

Aber Cyndi war meine eigene Kindheitsheldin. Gegen sie ist der Smarties-Mann ein Lulu. Und die Chance, es ihr gleichzutun, kommt so bald nicht wieder. Wie? Ich steige in ihre Fußstapfen und lasse den Sophomore Blogpost einfach aus!
Sehen Sie’s als Hommage.

P.S.
Wer aber eine wirklich großartige Nachwuchsstory lesen möchte, kann das hier tun.

[Text für Zeit im Blog 21]

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Web für alle

[Erschienen im WIENER #341]

Accessible Media. Das klingt wie eins dieser ach-so-coolen Buzzwörter, welche die Werbebranche gern im Mund führt. Ist es aber nicht. Vielmehr geht es darum, Grundrechte durchzusetzen: Das Recht auf Information zum Beispiel. Und das Recht auf Chancengleichheit.

„So wichtig es wäre, jede Gehsteigkante abzuschrägen, so wichtig ist es auch, dass Information, unabhängig von den körperlichen oder technischen Gegebenheiten zugänglich ist“ sagt Alexandra Steiner. Als Webdesignerin, die selber im Rollstuhl sitzt, hat sie sich auf Barrierefreiheit im Netz spezialisiert. Wo im Netz Barrieren sind? Für das Auge kaum erkennbar. Für Ausgabegeräte allerdings schon. So verwenden etwa blinde User einen Screenreader, der ihnen Inhalte von Webseiten vorliest. Das Gerät interessiert sich nicht für das schicke Design, sondern ausschließlich für den Quellcode, aus dem eine Seite gestrickt ist. Dafür ist es unumgänglich, dass dieser Quellcode sauber geschrieben wurde. Programmiertechnische Schnitzer und „Grammatikfehler“ in der Hypertext Markup Language wird ein sehender User nie merken. Und jeder, der schon einmal eine Website selbst gepfuscht hat, ist heilfroh, wenn ihm niemand in den zugehörigen Quellcode schaut.

Tja, bad news: Ein Screenreader schaut da sehr wohl. Und leider bringt ihn jede Schlamperei dazu, zu stolpern und unbrauchbare Informationen auszuspucken. Folgerichtig liest das Gerät entweder das wirre Durcheinander des Codes vor – oder im schlimmsten Fall einfach gar nichts, womit im Handumdrehen eine ganze Bevölkerungsgruppe vom Konsum der Website ausgeschlossen ist.

Steiner:

„Das mag noch angehen, wenn es sich um einen privaten Webauftritt handelt. Geschäfte und Dienstleister sollten aber noch einmal drüber nachdenken, ob sie wirklich auf ein ganzes Kundensegment verzichten wollen.“

Zumal – das sei hier nur am Rande erwähnt – auch alte Browser vor Quellcode-Schwampf kapitulieren: Wer mit Internet Explorer 6 unterwegs ist, ist de facto auch ein behinderter User, dem viele Seiten verwehrt bleiben.

Schon Kleinigkeiten könnten die Situation verbessern. Etwa, wenn man jedem Bild eine (nur hinter den Kulissen, im sogenannten Backend sichtbare) Beschreibung beifügt, damit ein Screenreader die Bilder lesen kann. Dabei geht es nicht nur darum, dass auch blinde Menschen das Foto „Urlaub mit Wuffi in Böheimkirchen“ genießen können. Vielmehr sind Bedienungselemente auf Webseiten oft in Bilddateien versteckt. Beispiel gefällig? Hübsch gemalte Pfeile mit Vorwärts/Rückwärts Funktion, die eben nicht Text, sondern graphisches Element sind und die Navigation für Screenreader unmöglich machen. Bilder sind für ihn einfach nicht dechiffrierbar, die Seite in Folge nicht nutzbar für blinde Menschen.

Für Google übrigens auch nicht. „Google ist der bekannteste blinde User“, sagt Markus Ladstätter, IT-Fachmann eines Behindertenberatungszentrums. Suchmaschinen lieben barrierefreie Seiten – alle anderen kapieren sie nämlich nicht gut.
Conclusio: Wer „Suchmaschinenoptimierung“ sagt, sollte auch „Accessibility“ sagen.

Okay, kapiert. Sauber arbeiten. Das kommt ohnehin jedem Nutzer, jeder Suchanfrage zugute. Was aber sollte darüber hinaus bei einer barrierefreien Webseite beachtet werden? Tabellen (in HTML) und wenn möglich auch Flash sind NO-GOs.

Blinde Menschen bewegen sich online ausschließlich mittels Tastatur. No na: Einen Mauszeiger können sie schließlich am Bildschirm nicht lokalisieren.

Tastaturen sind cool. Es gibt sie auch in Brailleschrift (siehe Bild), aber das ist für die meisten gar nicht nötig. Letztlich hat nämlich jede 08/15-Tastatur ein Nubsi unter dem F und dem J (schon mal aufgefallen?). Das erleichtert die Orientierung via Tastsinn ungemein. Navigiert wird mit der Tabulator-Taste, mit der man gänzlich mausfrei, von Link zu Link hüpfen kann.
Blöd wird’s halt, wenn Bedienungselemente partout nur per Maus anzusteuern sind. Wie eben Flash-Animationen, aus denen man ohne Maus einfach nicht mehr raus kommt…

Oder auch Formulare. Erwähnt sei z.B. eine Bank, bei deren Online-Banking der TAN-Code ausschließlich mit der Maus eingegeben werden kann. Fazit: Blinde Nutzer haben nicht einmal Zugriff auf ihr eigenes Konto.

Dabei wäre vieles möglich. Wie so oft geht es nur ums Wollen der Betreiber, nicht um die Hürden technischer Realisierbarkeit. Will man es blinden Menschen vereinfachen, eine Seite zu bedienen, kann man beispielsweise auch „Sprunglinks“ einbauen.

Steiner:

„Sprunglinks werden auf der Seite nicht offen angezeigt, im Quellcode aber schon. Es sind somit Links, die nur für Blinde sichtbar sind.“

Sie dienen dazu, die Navigation zu überspringen und direkt zum Inhalt zu kommen. Ein Vorlesesystem muss dann nicht jedes mal aufs neue den ganze Navigationssermon runterratschen, der User spart Zeit und Nerven.

Und wer denkt beim Webdesignen daran, dass es farbenblinde Menschen gibt? Dass daher rote Schrift auf grünem Grund, abgesehen von potthässlich, auch für viele nicht erkennbar ist? Eben. Kleine Änderung im Style Sheet – große Wirkung!

Grundsätzlich gilt: je übersichtlicher eine Seite gestaltet ist, desto besser.

Ladstätter:

„Das ist von Vorteil für alle, besonders wichtig allerdings für Menschen mit Lernbehinderungen, die vor überfrachteten Seiten einfach kapitulieren müssen.“

Für sie wurde deshalb auch ein Easy Youtube Player entwickelt – mit großen, simplen Bedienungselementen. Kein Gschistigschasti. Nur: ein-aus; laut-leise.
Denn – das muss auch gesagt werden – Youtube ist kein barrierefreies Portal. Auch Amazon ist es nicht. Und Ebay schon gar nicht. Die Großen kümmern sich derzeit leider einen feuchten Kehricht darum. Steiner: „Aber es wird immer besser. Es gibt bereits wesentlich mehr barrierefreie Seiten als man denkt!“

Und es wird auch von technischer Seite her viel getan: Mund-Joysticks für Menschen, die ihre Arme nicht bewegen können. Eye Tracking oder Blinzel-Systeme für noch schwerere Arten der motorischen Einschränkung.

Aber all das funktioniert nur, wenn die Links groß genug sind, um „angeblinzelt“ werden zu können. „More-Tags“ in Blogs, also diese in elender 6-Punkt-Schrift gehaltene Aufforderung zum Weiterlesen, wird hier zur Hürde. Übrigens auch für ältere Menschen, die feinmotorisch nicht mehr so fit sind wie ein 17jähriger Digital Native.

Dabei zeigen Studien, dass gerade behinderte Menschen überdurchschnittlich oft das Web nützen. Nicht nur, weil es viele Amtswege erleichtert.
Man ist auch freier, da bei computervermittelter Interaktion statusbezogene Zeichen (Alter, Geschlecht, körperliche Einschränkungen) nicht mitgeliefert werden. Viele Behinderungen sind keine mehr, sobald man virtuellen Raum betritt.
Web 2.0 bietet darüber hinaus auch eine große Chance, aktiv zu werden: Durch die Vernetzung findet man Gleichgesinnte, Probleme werden sichtbarer und letztlich – davon ist auch Ladstätter überzeugt – finden „mehrere Leute leichter eine Lösung als einer alleine“.

Also alles Eitelwonne in Facebookhausen & Co.? Mitnichten.

Gerade Facebook pfeift auf die Barrierefreiheit. Guter Trick: Das Portal via I-Phone nutzen. Nur dort ist es für Vorlesesoftware zugänglich. Das neue I-Phone 3GS hat nämlich eine Vorlesesoftware in seiner Standardausrüstung integriert. Zwar gab es die bislang auch, aber nur für ca. 300 Euro Aufpreis. Nun ist sie Teil der Erstausstattung und somit gratis, womit auch fast alle Apps für blinde Nutzer verwendbar werden. Klar: Apple legt eben großen Wert auf flächendeckende Ver-I-Phonung der Gesellschaft. Man will keine Zielgruppe aussparen.

Andere sind da nicht so konsumentenorientiert. Gegen den ORF läuft derzeit eine Klage wegen Verstoßes gegen das Behindertengleichstellungsgesetz.
Ein gehörloser Konsument fühlte sich diskriminiert, weil auf der Website des ORF zwar die ZIB 2 on Demand angeboten wird, allerdings nicht untertitelt und daher unbrauchbar für Gehörlose. Es kam – wie in solchen Fällen üblich – zunächst zu einer Schlichtung, bei der beide Seiten ihren Standpunkt darlegten und der ORF sich verpflichtete, die fehlenden Untertitel nachzureichen. Ist ja wirklich easy-peasy. Auf Youtube untertiteln die meisten (hörenden) User ihre Videos selber. Bloß der ORF bringt es offenbar nicht zusammen. Entweder das oder es ist ihm schlicht wurscht. Trotz Zusage wurde nämlich noch gar nichts in der Sache unternommen. Daher auch die Klage…

„Ach, der ORF“, sagt Alexandra Steiner, „Der hat überhaupt einen grauenvollen Webauftritt. Ich verwende diese Seite immer als negatives Beispiel für meine Schüler. Unübersichtlich – und natürlich in keiner Weise barrierefrei.“
Und das ist, sagen wir es unumwunden, einfach nur dumm. Auch wirtschaftlich.
Barrierefreie Seiten sind auf Netbooks und Smart Phones besser darstellbar, sie funktionieren mit jedem Browser, sie bieten optimale Nutzerführung für behinderte und nichtbehinderte Menschen – kurz: Man erreicht mehr Publikum an den unterschiedlichsten Endgeräten. Steiner:

„Barrierefrei bedeutet: Ich mache mein Geschäft ohne Stufen, weil ich will, dass ALLE zu mir kommen.“

Dort, wo tatsächlich alle betroffen sind, auf den öffentlichen Seiten der Bundesländer und Gemeinden, spricht auch das Gesetz Klartext: Diskriminierung von Behinderten darf es im Netz nicht geben. Wie die Vorgabe in der Praxis exekutiert wird, steht auf einem anderen Blatt.

„Die Republik bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“ (BV-G, Art. 7)

Weiterführende Links:

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#Hashtag, ja bitte!

Es ist klein, sieht ein wenig zerrupft aus und zur Verständigung ist es nützlicher als ein Babelfisch. WIENER-Kolumnistin Nicole Kolisch macht dem Hashtag eine Liebeserklärung. [Erschienen im WIENER Ausgabe 340 / November 2010]

Kennen Sie den schon? „Es gibt genau 10 Arten von Menschen. Die, die das Binärsystem verstehen, und die, die es nicht verstehen.” Der Tag, an dem die ersteren darüber nachdenken, wie sie zweiteren ihr (Computer-)Leben erleichtern können, ist der World Usability Day. Am 12. November ist es wieder so weit. Idealer Anlass, finde ich, diese Kolumne einem kleinen, feinen Zeichen zu widmen, das die Usability für uns Twitteranten enorm erhöht: Dem Hashtag. Oh, da höre ich bereits die Community aufheulen: „Das weiß doch jede Sau!“. Irrtum, meine Herren und Damen Poweruser. Das weiß höchstens jede Geeksau. Menschen, die ab und zu Sex haben, wissen das nicht unbedingt.

Der Hashtag also. Das ist dieses Kraxl, das sich in so vielen Tweets findet, teils danach, teils auch mittendrin, und so aussieht: #. Der Name leitet sich vom Rautezeichen ab (engl. „hash“) und von der Datenverarbeitung-Kovention des „tagging“, also der Verschlagwortung von Informationen. Anders gesagt: Der verwendete „hash“ wird als „tag“ genutzt – et voilà! – der Hashtag ist geboren :-)

Wozu das gut sein soll? Zunächst einmal – für die praktisch-veranlagten – zur Katalogisierung von Inhalten. Wer bloggt, weiß um was es geht: Tags unter dem Blogpost ordnen Inhalte den entsprechenden Kategorien zu und helfen beim Auffinden von Themen – nicht nur dem Blogleser, sondern auch jeder Suchmaschine, die sich grad auf der Pirsch durchs Netz befindet. Schlagworte schaffen eine semantische Metaebene – das war schon zu Zeiten der ersten Zettelkataloge in Bibliotheken so. Online ist es auch nicht anders. Tippe ich mit knurrendem Magen den Suchbegriff „Essen“ ein, spuckt Google mir erst mal Links nach Nordrhein-Westfalen aus. Hat aber Vittorio Mangiaro seine Pizzaservice-Posts mit „essen“ getaggt, so ist die Chance groß, dass meine Suchanfrage die Holzofen-Quattro-Stagioni direkt vor meiner Nase platziert. Unbestritten: Wenn ich Google nicht erkläre, dass eine Pizza in die Kategorie „Essen“ fällt, ebenso wie Omas getaggtes Krautfleckerlrezept, dann weiß Google es auch nicht. Und was fürs Bloggen gilt, gilt auch fürs Microbloggen. In der Bonsaiausführung halt. (Im Übrigen ist es ein fieses Vorurteil, dass wir Twitteranten ständig übers Essen reden, gell?!)

Jede gängige Weblog-Software sieht für Tags eine eigene Eingabezeile vor. Die Pointe beim Hashtag ist, dass er die Verschlagwortung in die Sprachebene zieht – und damit eine eigene Ausdrucksform kreiert.

Die schönsten Dinge dieser Welt entstehen durch Kulturen des Gebrauchs. Auf Twitter jedoch hat der Hashtag ein Eigenleben entwickelt, das lange schon die Fesseln der bibliothekarischen Nützlichkeitsdoktrin gesprengt hat. Hashtags erzählen Geschichten in Kurzform. „Lugner auf ATV“ ist eine Information. „Lugner auf ATV #fail“ ist eine Geschichte. Eine emotionsgeladene obendrein. Sie lautet: „Langer Arbeitstag; Chef doof; wollte mich grad mit Käse Pringles vor den Fernseher knotzen, aber jetzt bringen die Mörtel statt ‘Heroes’. Der Abend ist gelaufen.“

Zugegeben, da war jetzt großer Interpretationsspielraum. Aber gerade der Interpretationsspielraum macht den Hashtag ungemein faszinierend: „Studiere das Paralleluniversum #sockenlade“ – „Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen #usability“ – „Bin ein Mensch / Paladin, Level 80 #morgendeadlinefürkolumne“

Darüber hinaus manifestiert sich im Hashtag die Schmähkultur des Kaffehauses Twitter. Metaebene gleich Schmähtaebene: Das hat (nicht nur) die Wiener Twitteria längst erkannt. Tagger ordnen den Dingen schlicht Kategorien zu, in denen man sie auf den ersten Blick nicht vermuten würde. Kann jeder. Probieren Sie es aus.

Ach ja, und eh ich’s vergess: Happy Celebrating! #worldusabilityday

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Haben Sie Kinder? Sie wissen schon, diese niedlichen Miniaturausgaben mit den klebrigen Händen, die als halslose Ungeheuer in die Literatur eingegangen sind.

Also ich hab sowas. Und es ist wirklich praktisch; schon einmal wegen der enormen Denkersparnis zu Weihnachten.

Das kennen Sie sicher aus ihrer eigenen Kindheit: Wenn die Kindergartenpädagoginnen (damals schlicht „Tanten“) die Geschenkausdenkerei übernehmen, sind Mama und Papa fein aus dem Schneider. Die sprichwörtlich gewordene Tante Erna bekommt dann einfach einen hölzernen Eier- oder Aschenbecher, mit feinster Brandmalerei made by Lieblingsenkerl. (Wer überhaupt auf die Idee kommt, Aschenbecher aus Holz herzustellen, weiß ich nicht. Aber so waren sie halt, die unbeschwerten 70er Jahre. Gab ja auch keine Gurtenpflicht am Rücksitz.)

Was Sie aber vermutlich nicht aus ihrer Kindheit kennen, ist die eingebaute Content Provider Funktion der Minis. Und ich spreche hier nicht von Hosentaschencontent that defies description, sondern von Qualitäts-Content, optimal auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten.

Ich zum Beispiel werde selten retweetet, außer ich zitiere den Nachwuchs. Meine Facebook-Statusmeldungen werden mal mehr, mal weniger kommentiert oder gedaumt. Manchmal auch gar nicht. Wenn ich aber kiddie generated content poste, kann ich mich auf Reaktionen verlassen. (Nein, ich tu’s nicht deshalb. Sonst wär ich Dooce, reich und gerade auf Lesereise.)

Hier deshalb jener KGC, der in meinem ca. sieben-monatigem Facebookleben bislang für die interessanteste Debatte gesorgt hat. Und, nein: #kind1 spielt nicht Farmville. Sie weiß gar nicht, was das ist (Ich weiß es ja selber nicht…)

MEIN NEUER JOB

Am Heimweg von der Schule ist #kind1 nachdenklich. Nach einer Weile…

#kind1: Mama, du musst mehr Geld verdienen
ich: Wieso?
k: Damit du mir Taschengeld geben kannst.

i: Aber du bekommst doch eh jede Woche Taschengeld.
k: Ja, aber damit dir auch noch was übrig bleibt, wenn du mir das Taschengeld gegeben hast [Anmerkung: sie bekommt 1€]

i: Na gut. Wenn du mir eine Arbeit findest, die interessant ist und gut bezahlt ist, dann mach ich sie.
k: Du meinst, wo du JEDEN TAG GANZ VIEL Geld verdienst?
i: Ja.

#kind1 denkt nach.
Dann:

k: Du musst Tiere vermieten.
i: ???
k: Du brauchst ganz viele Tiere und die vermietest du dann.
i: Was für Tiere?
k: Hauptsächlich Hunde und Papageien. Die Leute borgen sich die Tiere immer für einen Tag aus. Und zahlen dafür 1€.
i: Das ist aber nicht viel Geld.
k: Ja, aber du vermietest ja GANZ VIELE TIERE!!! Du kümmerst dich um sie und passt auf sie auf und vermietest sie.

i: Und wo sollen die wohnen?
k: Du musst einen Baumeister finden, der ein Haus baut von der Litfass-Säule bis zum Billa. So groß! Da wohnen die Tiere.
i: Das ist aber teuer…
k: Ja, das musst du erst zahlen. Aber dann vermietest du die Tiere, dann kommt das Geld wieder rein.
i: Und wenn ich das Haus zahle – womit soll ich dann die Tiere kaufen?
k: Da borgst du dir ein bissi Geld vom Papa aus. Aber nur ein bissi.
i: Und warum Hunde und Papageien?
k: Weil das wollen die Leute.

i: Na gut. Ich werd’s dem Papa mal vorschlagen.

[Text für Zeit im Blog 21]

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