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Circle Training

Ene, mene, mu und raus bist du. Oder rein. Google schenkt uns Kreise für Fetzenschädel und Wichtigmacher, für Exilkubaner, Ex-Lover und Waschbrettmänner. Damit kommt endlich Ordnung ins Sozialleben! [Kolumne für den WIENER 360]

„Bist du schon drin?“ ist nicht nur die schale Pointe des wohl ältesten Dirty Jokes, es war auch die am häufigsten gestellte Frage der letzten Wochen. Jedenfalls im Webiversum. „Drin“ bezeichnete in diesem Fall google+, die – will man den Statistiken der ersten Wochen Glauben schenken – eierlegende Wollmilchsau unter den sozialen Netzwerken: Facebook made by Google. Nur besser, weil … naja, weil halt Google.

„Drin“ – das ist man bei google+ relativ schnell, aber auch wer „drin“ ist, ist evtl. immer noch draußen. Denn Google hat das Kastensystem ins Online-Zeitalter herübergerettet und eine Struktur geschaffen, die es erlaubt, Menschen nach gewissen Merkmalen zu sortieren: In sogenannte Circles. Kurz: Schubladendenken 2.0. Nicht jeder ist in jedem erlauchten Kreis willkommen; sollte etwa Medwedew einen „Inner Circle“ anlegen, sind Sie da garantiert auch nicht drin…

In Anlehnung an Groucho Marx kann man all das recht locker sehen: „Ich möchte gar nicht Mitglied in einem Kreis sein, der mich als Mitglied haben will.“ Man kann es auch von der praktischen Seite betrachten: Dass berufliche Kontakte nicht mit privaten in einen Topf zu werfen sind, dass man mit der Tante Erni andere Informationen teilt als mit seinen Saufkumpanen, ist ein Manko, das an Facebook schon lange bemängelt wurde. Zu recht erfreut sich die Selbsthilfegruppe „Hilfe, meine Mama ist auf Facebook“ regen Zulaufs. (Kein Schmäh. Die gibt’s.) Eben hier setzt Google an. Erfordert mitdenken, erspart dafür massig Unannehmlichkeiten.

Außerdem: Spaß ohne Ende. Erwähnte ich das schon? Ja, ja. Pubertären, kleinmütigen Ätschi-Bätsch-Spaß. So what? Die Mit-User sehen nämlich nicht, wo sie „eingekreist“ werden. – „Wenn Ihr wüsstet, in was für dämlich benamte Circles ich Euch reinsortiere“, provoziert Sascha Lobo, punkköpfige Salome Pockerl der Webszene, „Ich habe einen Circle namens Deppen, einen Möchtegern-Wannabes, Politclowns, Internet fixierte und einen ,Schon bei Facebook nervig‘-Circle“.

Das bleibt nicht ungestraft. Lobo wird prompt selbst einsortiert. Unter Seltsame Frisuren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass google+ ein wunderbares Sozialexperiment ist. Das Bewusstsein, sich bei Bedarf in seinen engsten Kreis zurückziehen zu können, macht das mit einem Mal gar nicht mehr so notwendig. Da herrscht ein kindlicher Pionier- und Aufbruchsgeist – und die neue (Wahl-)Freiheit treibt schräge Blüten: „Kann ich bitte in den Pupst-abendsimmer- Bolero-von-Ravel-Circle?“, fragt eine Userin. Das ist gaga und doch immer wieder erstaunlich realitätsnah, wie der grüne Landtagsabgeordnete Michel Reimon beweist: „Ich habe alle Grünen in einen Arbeitskreis gesteckt.“ Kinder, wir werden noch viel Spaß haben!

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