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FTW!

Szenejargon, heißt es, sei effizient und pointiert. Vor allem aber stellt er „Sprachkomplizenschaft“ her. Na kommen Sie schon, werden Sie mein Komplize! [Erschienen im WIENER Nr.344 / April 2010]

Wir erinnern uns: Im Sommer 2003 ging der Schulaufsatz einer 13jährigen Engländerin um die Welt. Und mit diesem ein Aufschrei. Die seit Urzeiten tradierte Aufgabenstellung, ihr „schönstes Ferienerlebnis“ zu beschreiben, hatte Klein-Lindsay nämlich so umgesetzt:

„My smmr hols wr CWOT. B4, we used 2go2 NY 2C my bro, his GF & thr 3 :- kids FTF. ILNY, it’s a gr8 plc“. (Das dürfen Sie sich jetzt selber übersetzen, viel Spaß…)

Mit sofortiger Wirkung wurde der siebenhundertachtzigste Untergang des Abendlandes ausgerufen, Verfall der Sitten inklusive. Wo die Elterngeneration nur Bahnhof versteht, ist man ja schnell dabei, die Generation Y und Z zu verteufeln, diese Killerspiel-sozialisierten Gfrasta, die nicht mehr wissen, wie man einen Federkiel in Tinte taucht, um handgeschöpfte Bütten mit trochäischen Versen zu schmücken.

Dabei wird leicht übersehen, dass es kaum etwas gibt, woran sich das Herz mehr erfreut als an hausgemachter Vernakularsprache. So nennt die Sprachwissenschaft das nämlich: „eine gewissermaßen urwüchsige Sprachvarietät innerhalb eines Sprachgebiets“. Sie haben da oben problemlos über die „Gfrasta“ hinweggelesen, nicht wahr? Und für das Recht, einen Topfen statt einem Quark zu reden, würden Sie auf die Barrikaden gehen.

Eben. Ich tue selbiges für das Recht, meine Freunde Tweeps zu nennen und ihnen ein empörtes WTF! zuzurufen, wenn mir was gegen den Strich geht. Mein „Sprachgebiet“ ist online, meine „urwüchsige Sprachvarietät“ nennt sich Netlingo.

Nicht, weil ich was gegen trochäische Verse habe. Aber ich hab was gegen Leute, die sich hinter selbigen verschanzen , samt ihrem bildungsbürgerlichen Snobismus, und die den Charme, die Vielfältigkeit und die konkrete Poesie negieren, welche die Schwarmintelligenz hier vor unseren Augen ausgetwittert hat. In 140 Zeichen pro Haiku.

Unsereins würde jedoch nicht von Snobs sprechen, sondern von Trollen, also von Wesen, mit denen Diskussionen fruchtlos und frustrierend sind. Reine Flamewars; CWOT.
Was tut man mit Trollen? Richtig. „Nicht füttern!“ lautet die Devise, die ich mit einem überzeugten „full ack“ quittiere. Besser man steckt sie in ein Killfile, da machen sie immer so nett *plonk *.
Und weil ich bis hierher vermutlich die Hälfte aller LeserInnen abgehängt habe (waren wohl n00bs), mache ich das, was sich der Herr Chefredakteur schon ewig wünscht: Ein Glossar zu meinen Texten.

Also zurück auf Los.

  • CWOT = complete waste of time (totale Zeitverschwendung)
  • FTF = face to face (in direktem Gespräch, also IRL = „in real life“, nicht online)
  • Tweep = jemand, dem ich auf Twitter folge – und vice versa.
  • WTF = What the fuck; also in etwa: “Was zum Teufel soll denn der Schas schon wieder?“), nicht zu verwechseln mit FTW = „For the win!“, sprich: super!
  • Troll = Person, die nur auf Provokation und Stunk aus ist
  • Flamewar = heftige, untergriffige Diskussion
  • „Don’t feed the troll“ = gängige Anweisung, die sich darauf bezieht, sich mit Trollen nicht auf Flamewars einzulassen
  • full ack = kurz für “full acknowledgement” (“Ich stimme vollends zu”)
  • Killfile = Filter eines Newsreaders, der Nachrichten, die ich nicht lesen möchte, von mir fernhält (also etwa. zu bestimmten Themen oder von bestimmten Absendern)
  • *plonk * = lautmalerisch; das Geräusch, das ein Troll macht, wenn er auf dem Boden eines Killfiles aufschlägt
  • n00b = “Newbie”, Neuling, Anfänger

Noch Fragen?
www.netlingo.com
www.urbandictionary.com

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The F-Word

Im digitalen Kosmos ist der Trend du Jour oft passé, ehe die Druckerschwärze des WIENERs die Chance hat, zu trocknen. Das schmerzt. Außer der Trend heißt Foursquare. [Erschienen im WIENER, Ausgabe 343 / März 2010]

Foursquare kann man nicht verstehen, wenn man es nicht selber probiert, nein, gelebt hat. Hat man es selber gelebt, kann man es erst recht nicht verstehen. Man kann drauf abstürzen, sicherlich. So wie auf einen Doppler picksüßen Erbeerwein vom Diskonter. Aber verstehen? Niemals.
Es ist der erste Trend, bei dem ich inständig hoffe, dass er Geschichte ist, noch ehe dieses Heft erscheint. Schätze mal, diese Hoffnung ist vergebens, denn laut Gerüchteküche wird dem Erdbeerwein 2010 ein Webbie-Award winken. Na dann, Prost!

Klingen tut’s cool. Eine „geobasierte mobile Applikation“ ist Foursquare. Twitter meets GPS. Stadtführer meets Social Network.
Ich lade mir also die erdbeerig süße kleine App aufs Smartphone und kann meine Stadt besser kennen lernen, kann im Urlaub die heißestes Lokaltipps checken und jederzeit wissen, ob Freunde in der Nähe sind und schnell mit ins Hawelka auf einen Verlängerten gehen wollen. Und dafür, dass ich diese Serviceleistung in Anspruch nehme, muss ich nichts zahlen, sondern werde reich belohnt: Mit Punkten und Medaillen, Ruhm und Ehre. Und mit dem Amt des Bürgermeisters. Honi soit qui mal y pense.

Schöne neue Foursquare-Welt. Ich gehe nicht mehr schnöde zum Kirchenwirt, ich krieg dafür ein veritables Goldsternderl, weil ich so brav war und dem Programm meinen aktuellen Standort gefüttert habe.
Na, wer regrediert da nicht sofort zum Volksschüler und hofft, dass die Frau Lehrerin ihn lieb hat? Wer bekommt da nicht Lust, sich ständig selbst zu verorten und seine Whereabouts auf Google Maps zu markieren?

Bin gerade Ecke Neubaugasse / Mariahilferstraße. Parke jetzt in der Tiefgarage vom Gerngross ein. „Gratuliere!“, sagt Foursquare, „Sie sind der erste Mensch, der in dieser Tiefgarage parkt. Dafür bekommen sie den großen Entdecker-Orden! Wenn Sie hier das nächste Mal parken, werden Sie zum Bürgermeister ernannt!“

Big Brother geht in Frühpension und bucht schon mal ein Ticket nach Florida. Hier wird er nicht mehr gebraucht. Wir erledigen den Job selber, Sternchen sammelnd.
Ehrlich, ich warte auf die ersten Medienberichte von Bankräubern, die zuvor mal rasch in Foursquare eingeben, wo sie das Fluchtauto abgestellt haben. Oder stellen Sie sich mal vor, wie schnell die Saliera wieder aufgetaucht wäre…

Dabei läuft das Spielchen nicht ohne Bugs. Locations können mehrfach ins System eingetragen werden, etwa aufgrund divergierender Schreibweisen. Das sorgt für Verwirrung und Eintracht gleichermaßen, denn nur so ist es möglich, dass J. und ich zeitgleich Bürgermeisterinnen der U-Bahn Station Landstraße sind. Wir regieren in friedlicher Koexistenz, jede in ihrem eigenen (Tippfehler-induziertem) Paralleluniversum.
Mit M. hingehen ist friedliche Koexistenz undenkbar. Das lässt sein Y-Chromosom nicht zu! Wochenlang lieferten wir uns ein erbittertes Gefecht um die Herrengasse, zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit, dem anderen sein Bürgermeisteramt abzuluchsen – durch schieres Hinfahren, Einloggen und Ätsch-Bätsch-Sagen. Zugegeben, die Reibungswärme hatte etwas ungemein Erotisierendes. Aber was ungemein Blödes hatte es auch.

Weltweit spielen derzeit 170.000 Hardcore-Nerds Foursquare. Das klingt wenig, aber wer die Dynamik des Web2.0 kennt, weiß, dass es ausreicht, um zur Pandemie zu werden. Ein paar Psychotricks, eine Prise Gruppendruck und wer will nicht mal ein Early Adopter sein? Trotzdem: Vor Foursquare hab ich keine Angst. Zu läppisch.
Ich habe Angst vor Stasi-VZ (pardon, Studi-VZ) und Facebook. Bei letzterem heißt der Bürgermeister Mark Zuckerberg. Er hat das Zeitalter der Privatsphäre für tot erklärt und bastelt an einer ganz ähnlichen, geobasierten Erweiterung für sein Reich. Ein kleines Geschenk anlässlich George Orwells 60. Todestag…

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Was James Cameron einst als Zukunftsvision für seinen „Terminator“ skizzierte, trägt heute jedermann in der Hosentasche. Der WIENER traf Robert Harm, Spezialist für Augmented Reality, und ließ sich den Hype erklären. [Erschienen im WIENER Nr. 343 / März 2010]

Wie funktioniert „Augmented Reality“?

Über das Kamera- bzw. Videobild eines Smartphones wird eine Datenschicht gelegt, die zusätzliche Informationen anzeigt. Diese Datenschicht ist abhängig vom Standort des Benutzers und sehr flexibel, d.h. es können Bilder, Videos, Musik, Karten etc. angezeigt werden – sowohl statisch (wie z.B. Informationstexte), als auch interaktiv (wie Quizfragen).

Seit wann gibt es das?

„Augmented Reality“ ist schon länger ein Thema. Ich kann mich an Installationen auf der Ars Electronica vor zehn Jahren erinnern… Damals aber eher für Forschung, nicht für die breite Masse gedacht. Das Interessante ist der Sprung, der sich von „Virtual Reality“ zu „Augmented Reality“ vollzogen hat: Bei VI bewegt man sich, z.B. mittels Helm, durch eine pixelige 3D-Landschaft. Bei AR wird ein reales Kamerabild verwendet. Dieser Durchbruch war erst durch die rapide Verbreitung von Smartphones, wie Android oder iPhone möglich.

Welche technischen Voraussetzungen braucht es dafür?

Kamera, GPS und Kompass im Handy. Daher ist AR erst ab dem iPhone 3GS möglich, das Vorgängermodell [3G – Anm.] hatte noch keinen Kompass integriert. Außerdem benötigt man einen Augmented Reality Browser, den man sich im Netz gratis herunterladen kann. Derzeit gibt es zwei international bedeutende Anbieter auf dem Gebiet: Layar, eine niederländische Firma, und Mobilizy, eine Firma aus Salzburg, die mit Wikitude 4 den erste AR-Browser anbietet, bei dem jeder seine eigene Augmented Reality programmieren kann. Dafür muss man kein Techniker sein.

Ich kann also eine Datenschicht für meine Wohnung programmieren und sehe dann, in welchem Küchenkastl ich Teller und in welchem ich Gläser habe?

Noch nicht, weil die Satellitengenauigkeit für GPS-Daten noch nicht so präzise ist, aber das wird schon noch kommen. Derzeit wird zum Beispiel an einer Anwendung für IKEA gearbeitet, bei der man Möbelstücke aus dem Katalog auswählen und via Smartphone in der eigenen Wohnung platzieren kann, um zu sehen, wie das aussehen würde. Befindet sich noch in der Entwicklung, kommt aber ganz sicher.

Welche AR Anwendungen nützen Sie denn selber?

„Pocket Universe“ zum Identifizieren von Sternbildern. „Sun Seeker“ zeigt mir an, wo die Sonne aufgeht – das ist z.B. praktisch bei der Besichtigung von Wohnungen. Und dann hatte ich noch eine App zum Identifizieren von Bergen. Man muss aber auch lernen, mit der Überinformation zurecht zu kommen. Wie strukturiere ich all die Informationen? Verbunden mit einer permanenten Herausforderung, zu selektieren: Was brauche ich wirklich?

Gute Frage: Braucht man das alles wirklich?

Es kann eine Bereicherung sein; ein Anstoß, sich neue Sachen anzuschauen. Ich bin dadurch in Gegenden gekommen, in denen ich vorher nie war, weil man ja meistens nur seine bekannten Wege geht.
Letztlich stellt sich die Frage aber nicht. Als das Fernsehen aufgekommen ist, hat es auch überall geheißen: „Wozu brauch man das? Wir haben doch Radio.“
Aktuell passiert in de technischen Entwicklung im Wochentakt, nein täglich, soviel Neues und Spannendes… Klar, dass sich nicht alles durchsetzen wird. Nur weil es technisch möglich ist, heißt das noch lange nicht, dass es angenommen wird. Aber die Optionen sind unendlich.
Und wenn die Systeme weiterhin offen gehalten werden, können Anwendungen entstehen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können: Was wir heute sehen, ist nur der erste Schritt…


Mag. (FH) Robert Harm
studierte Informationswirtschaft und –managment in Salzburg, arbeitet als Software Engineer für das Bundesrechenzentrum im Bereich Wissensmanagement, sowie als Freelancer (www.ihrwebprofi.at), u.a. an Web-Projekten zum Thema eParticipation und Augmented Reality.

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Wir nennen es Augmented Reality – erweiterte Wirklichkeit. Die High-Tech-Version von „Ich seh, ich seh, was Du nicht siehst“ gilt als DAS Technik-Thema des Jahres 2010. [Erschienen im WIENER Nr. 343 / März 2010]

Es war meist der kleine pickelige Streber mit den unmodischen Hemden, der die Details wusste: Dass die Kärntner Straße 1257 das erste Mal urkundlich erwähnt wurde, dass der Kahlenberg eine Höhe von 484 Metern und ein Big Mac 494,94 Kilokalorien hat. Wir anderen waren genervt und fasziniert gleichermaßen. Irgendwo zwischen „Gusch Bua!“-Brüllen und andächtigem Schweigen hinsichtlich der Menge angehäuften Halbwissens. Kurz: Genau jenes ambivalente Gefühl, das einen überkommt, wenn man den Augmented Reality (AR) Browser anwirft und die Welt durchs Handy betrachtet.

Die ersten Schritte in die erweiterte oder – will man den AR-Evangelisten glauben – „verbesserte“ Welt faszinieren. Wo ist im Umkreis von 1 km die nächste Pizzeria, wo die nächste Tankstelle, wo kann ich Brennspiritus kaufen? Ein Blick durch das Handy genügt und die Welt um mich wird mit einem Koordinatennetz überzogen. Kleine Stecknadeln markieren relevante Punkte – jeder, der schon mal ein Strategiespiel in der Hand hatte, weiß wie so etwas aussieht.

Aber es wird besser als das Strategiespiel: Klicke ich die einzelnen Punkte an, liefert mir der AR Browser jede benötigte Zusatzinformation: Öffnungszeiten der Pizzeria, exakte Adresse der Tankstellen, die chemische Formel für meinen Brennspiritus. Cool. Ersteres kann ich tatsächlich brauchen, mit letzterem bei der nächsten Party punkten…

„Around me“ heißt das virtuelle Feld, das hier betreten wird. Und genau das ist es auch: Mittels GPS und Kompass wird mein Standort errechnet, mit einer Datenbank verknüpft und mir in meinem Kamerabild angezeigt – das Tor zu einer beschilderten, analysierten, wissensdurchfluteten Welt. Wo hab ich gestern mein Auto abgestellt? Die passende AR Applikation zeigt es mir.

AR-Eventführer helfen mir, das nächste Konzert im Umkreis zu verorten. Und die nette Erweiterung „Tweeps Around“ weist mich darauf hin, wer in meiner Nähe gerade twittert, z.B. der junge Mann dort drüben, der per Twitter den Verlust seines Feuerzeugs beklagt. Da kann ich gern aushelfen…

„Das sind aber nur ganz simple Basis-Anwendungen“, sagt Fachmann Robert Harm (siehe Interview), „Der Trend geht weg von diesen rein statischen Nutzungen und hin zu mobiler Interaktivität.“ Was es dazu vermehrt braucht, sind Entwickler, die kreativen virtuellen Content schaffen, der auf der vorhandenen Umgebung aufsetzt, sie aber ein bisschen „verbessert“. Klassisches Beispiel: Man geht an einer Baustelle vorbei und braucht nur einen Blick ins Handy zu werfen, um anstelle des Baugerüsts das fertige Architektenmodell zu sehen. Die Firma Layar bietet das bereits an: virtuelle 3D Modelle, die der Wirklichkeit übergestülpt werden.

Stolz ist man bei Layar auch darauf, die Beatles wieder mit Abbey Road vereint zu haben. Eine „Augmented City Tour“ durch London führt Fans der Fab Four an alle Stationen des Beatles’schen Lebens. Durchs Handy betrachtet, sieht man dabei tatsächlich Ringo, Paul, John und George über den berühmten Zebrastreifen spazieren und kann sich selber mit ihnen fotografieren. Klingt wie Spielerei, ist aber derzeit absoluter State-of-the-Art in Sachen AR, weil hier nicht nur mit 3D-Objekten und Informationsschichten gearbeitet wird, sondern auch mit sogenannten „triggered actions“: Erst die Bewegungen des Nutzers lösen bestimmte Abläufe aus, d.h. die nächste Station der Beatles-Tour wird erst freigeschaltet, sobald die aktuelle absolviert ist.

Kein Wunder, dass sich die Technik für Schnitzeljagden anbietet: AR Games, die „Treasure Hunts“ und Quizspiele quer durch die Stadt inszenieren, boomen und lassen klassisches Geocaching ganz schön alt aussehen. „Triggern“ (also auslösen) lassen sich dabei alle Arten von Aktionen: Videos, die automatisch am Handy abgespielt werden, sobald ich einen bestimmten Punkt passiere. Die Marseillaise, die ertönt, wenn ich mich in einem Radius von 10 Metern dem Eifelturm nähere. Erfundene Beispiele? Nein, natürlich längst umgesetzt. Stehe ich vor dem Berliner Reichstag, zeigt mir mein Handy den Standort in historischen Ansichten. Und im Kolosseum in Rom brüllen wieder die Löwen.

Sicherlich, das klingt alles nach technophiler Spinnerei. Das Konzept dahinter ist aber ein mächtiges: Jede Art von Information liegt auf der Straße, zugänglich für jedermann. Die Realität, die dadurch entsteht, mag somit tatsächlich eine „verbesserte“ sein. Abwarten.

Zitat:
“All aspects of society will be affected by this: the Government, the arts, social justice, journalism.“ – Mark Wright, Senior Researcher, University of Edinburgh

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Nicht schreiben oder doch nicht Nicht-Schreiben? Mit Paul Watzlawick in interessante Zeiten.

Oh, die edlen Vorsätze. Man will ja eine Regelmäßigkeit etablieren, will sich selber an die kurze Leine nehmen, richtig schön in den Rythmus reinkommen, damit es dann irgendwann von selber läuft. Als fixer Bestandteil des Lebens, als Selbstverständlichkeit, an die man keine „soll ich oder soll ich heute nicht?“ Gedanken verschwenden muss, da es eben einfach so ist.

Tägliches Lauftraining? Mitnichten.
Wöchentliches Bloggen. Darum geht’s.

Ich meine, lasst Euch das mal auf der Zunge und in den Gehirnwindungen zergehen: wöch-ent-lich.
Also das kann doch echt kein Problem sein. Unter der Woche wird was erlebt, Freitag oder Samstag notiert man’s rasch. Sonntag stellt es der liebe Kollege Lauth ins Netz. Und pünktlich Montag in der Früh wird den geschätzten LeserInnen zum Marmelade-Semmerl noch eine Alltagsgeschichte serviert.

Tja, schneckn. So funktioniert das irgendwie nicht.
Denn erstens ist das Leben oft einfach fad und nicht berichtenswert, vergleiche @ruthakers:

„“MOM! Mikey said when you get married and have kids, you die!“
„Only on the inside, honey. Only on the inside.“

…oder es kommt dicke – dann ist es zwar nicht fad (no, sir!), aber zum Berichten bleibt keine Zeit.
Die Twitteranten-KollegInnen haben – vermutlich aus ganz ähnlichen Überlegungen heraus – deshalb neulich die Selbsthilfegruppe für Wenig- und Seltenblogger ins Leben gerufen. That’s a whole new level of desperate… :)

„Ach, wir sind ja nicht bei der Zeitung hier!“, sagt Meister Lauth immer. Dafür – ich schreibe dies vor Zeugen – zahl ich ihm beim nächsten Blogtail ein Achtel. Das erleichtert nämlich ungemein und hindert mich (vorerst) am Aufsuchen der Wenigbloggerselbsthilfegruppe.

Vor allem: Mein Leben war nicht fad, sondern sehr interessant. Und zwar gemäß dem klassischen chinesischen Fluch: „Mögest du in interessanten Zeiten leben!“ Das wiederum erschien mir dann zu privat für den hiesigen Rahmen.
Au ja, das Zeitalter der Privatsphäre ist vorbei, da sind sich Eric Schmidt und Mark Zuckerberg wunderbar einig, aber ich nehme mir dann doch die Freiheit, ihnen zu widersprechen und zu sagen: „Geht euch gar nix an, Jungs!“ :-p

Was ich auf ZiB21 tue, sehe ich als Experiment. Es ist ein Experiment für ZiB1, weil sie mir den Raum geben, in ihrem schwerpunktmäßig doch so anders gelagerten Ambiente mein kleines Privatreservat zu kultivieren. Und es ist ein Experiment für mich, weil es mich ständig zwingt, die Grenzen zu überprüfen:

Was ist noch Doris Knecht, was ist bereits Truman Show? Worüber können sich #Kind1 und #Kind2 dereinst mal als Erinnerungsalbum freuen – und was werden sie mir in der pubertären Rotzlöffelphase empört um die Ohren knallen? Okay, vermutlich alles. Falsche Fragestellung.

Aber es gibt noch viele andere …

Ich habe im letzten Monat den Punkt erreicht, an dem ich einige dieser Fragen nicht mehr beantworten konnte. Und die wesentlichste davon war: Wie gehe ich mit einer Veränderung meines Beziehungsstatuses um? Und zwar nicht auf Facebook – dort ist er ohnedies auf „nicht sichtbar“ gestellt. Sondern hier. Instrumentalisiere ich diese sehr private Entscheidung, wenn ich darüber schreibe? Mach ich aus einem Scheideweg ein fahles Stückerl Entertainment 2.0?

Ist es gerechtfertigt, 17 erstaunliche Jahre auf einen anekdotischen Blogpost zu reduzieren? Niemals.
Aber machen wir die Gegenprobe: Sind mir 17 erstaunliche Jahre denn nicht einmal einen anekdotischen Blogpost wert?

Eben.

Ich kann das heute genauso wenig beantworten wie in den letzten Wochen. Aber wenn ich diese Hürde nicht in irgendeiner Form für mich nehme, wird sie – ähnlich den Watzlawick’schen Cornflakes – immer unbezwingbarer.
Und ich habe deshalb den vielleicht feigen Weg gewählt, den mittleren Weg der Nicht-Entscheidung. Ich schmettere der Welt mein (t)rotziges „Geht Euch nix an“ entgegen und habe es trotzdem gesagt. Ich habe nicht darüber geschrieben, aber auch nicht nicht-geschrieben. Ein bisschen, wie Cyndi Lauper damals mit ihrem Sophomore Album, aber das hatten wir ja bereits…

Wie es jetzt weitergeht nachdem die Cornflakes-Hürde (sort of) genommen ist? Mit edlen Vorsätzen selbstverständlich!

Man will ja eine Regelmäßigkeit etablieren, will sich selber an die kurze Leine nehmen, richtig schön in den Rythmus reinkommen, damit es dann irgendwann von selber läuft … blablabla.
Aber rechnen Sie bloß nicht damit, dass das funktioniert!
Die „interessanten Zeiten“ sind gerade dabei interessanter zu werden.
Nur gut, dass wir hier nicht bei der Zeitung sind.

[Text für Zeit im Blog 21]

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