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„Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als H.C. Strache?“ fragt eine Facebook Gruppe. 160.000 Slacktivisten – ich inklusive – nahmen sich ein Herz. [Erschienen im WIENER Nr.345 / Mai 2010]

Das heißt, sie wurden Fans des Facebook-Ziegels, der den blau-gelackten Populisten (zum Stichtag gerade mal 29.000 Fans) damit locker zementierte.

H. (ohne C.) sagt, er mag sonst auch keine Facebook Gruppen, aber dieser muss man einfach beitreten, denn sie setzt ein Zeichen. Hmmm, denke ich. Ein Zeichen wofür? Dafür, dass die politisch Interessierten zu viel Zeit auf Facebook verbringen? Dafür, dass sich das aktivistische Potential der Digital Natives auf den Mausklick „Gefällt mir“ beschränkt? Gibt übrigens einen eigenen Ausdruck dafür: Slacktivism.

Zugegeben, die beiden Worte „slacker“ und „activism“ scheinen unvereinbar. Manifestiert sich in ersterem doch die reinste Form des Nichtstuns, des chilligen Abhängens am Sofa, jener von Fernbedienungen und Bierflaschen gesäumten Insel der Seeligen. Zweiteres stellt hierzu den antithetischen Lebensentwurf dar. Wer also bestrebt ist, sich mit einem denkbaren Minimum an Aktivität den denkbar größten Anschein von Engagement zu verleihen, darf nunmehr stolz den Titel „Slacktivist“ tragen. Und der Ziegelstein war bei Gott nicht der erste, an den man vor Verzweiflung den Kopf knallen wollte.

Wir erinnern uns an den „Sea of Green“? An jene grünen Welle, die im Vorjahr durch sämtliche sozialen Netzwerke schwappte und Profilbilder entsprechend einfärbte? Um Solidarität mit der „Green Revolution“ im Iran ging’s da. „Ich finde es zutiefst rätselhaft“, schreibt ein bekannter australischer Blogger, „Dass die Leute tatsächlich denken, diese grünen Avatare hätten irgendeine Auswirkung auf das Leben von Menschen, mal abgesehen von ihrem eigenen und dem flauschig-warmen Gefühl der politischen Korrektheit: Oh yeah, ich bin Teil der iranischen Revolution! Zeit für einen Latte Macchiato mit Sojamilch.“

„Slacktivism“ – das ist der Terminus für das Lippenbekenntnis 2.0, für – so meinen zumindest die Gegner – jenen Feel-Good-Online-Aktivismus, der genau null politische oder soziale Folgen hat. Ist ja auch wesentlich komfortabler, mal schnell einer „Rettet den Baum“-Gruppe beizutreten, als sich an selbigen zu ketten und die Bekanntschaft mit polizeilichen Gummiknüppeln zu riskieren. Die Mama hat so was ja angeblich 1984 gemacht. Irgendwo in Niederösterreich nahe Hainburg. Wahrscheinlich nur, weil sie kein Internet und somit keine Alternative hatte.

Heute macht man das schicker. Man trägt ein Armband, ein sogenanntes „Awareness bracelet“ (sic!) gegen all die Armut auf der Welt. Oh jetzt wäre es leicht, den Verfall der politischen Sitten und die schnöde Schein-Demokratie der schönen neuen Online-Welt anzuprangern. Mach ich nicht. Es reicht völlig, dass Robert Korbei, der Geschäftsführer der Wiener Grünen, in diese Falle getappt ist, als er sinngemäß meinte, online kann jeder, erst wer auf Märkten Flyer verteilt, hat das Recht, mitzureden.

Und dann kam jene Lichterkette ums Parlament, die ihre Existenz einzig und allein Facebook schuldete. Gefolgt von #unibrennt – einer Organisation, die gezeigt hat, welch handfeste Auswirkungen Online-Aktivismus in der Praxis haben kann. Ach, und www.freerice.com, der wahrgewordene feuchte Traum jedes Slacktivisten: Eine Website, die es schafft, 7000 Menschen täglich zu ernähren – nur dadurch, dass ein paar Nerds dort ihr Englisch aufbessern. Das Prinzip ist genial. Surfen Sie hin und überzeugen Sie sich selbst. Bringt jedenfalls mehr, als Welthunger auf Facebook zu „bekämpfen“. Und wenn Sie schon dabei sind: Tätigen Sie ihre mazonkäufe doch einfach über www.laafi.at/amazon. Ist zur Abwechslung mal eine österreichische Initiative und bringt wirklich was.

So eindeutig ist das halt nicht mit dem Slacktivism. Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil genauso wahr, sprach Hesses Siddharta. Aber das muss man eben erst einmal aushalten…

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Unsere kleine Farm

[Erschienen im WIENER Nr.345 / Mai 2010]

Irgendjemand hat schon wieder eine Kuh verloren. Die gurkt jetzt herrenlos auf meiner Facebook-Seite herum und hofft, dass ich sie zurück zu ihrem Bauernhof bringe. Bislang habe ich der Versuchung immer widerstanden. Da konnte das Rindsviech noch so treuherzig dreinschauen. Es ist mir auch egal, ob ich dann eine Kürbis-Medaille oder gar ein Zitronenbäumchen als Belohnung ausfassen würde. Kühe, Schafe, Sojabohnen, sowie andere Einwohner des idyllischen Örtchens FarmVille haben bei mir Hausverbot. Ja, auch die neuerdings animierten Golden Retriever müssen ihr Lackerl anderswo hinterlassen. Nicht, weil ich sie als das sehe, was sie sind, Schwachsinn nämlich, sondern weil ich panische Angst hätte, von dem Schwachsinn nicht mehr loszukommen.

„Eine wirklich körperliche Suchtgefährdung entsteht nicht“, beruhigt mich Medienpsychologe Univ. Prof. Peter Vitouch. Er sieht das Ganze denkbar gelassen: „Alle paar Monate kommen Leute wie Sie – also irgendwelche Journalisten – und wollen wissen, ob wegen einem aktuellen Trend jetzt die Welt zugrunde geht. Das tut sie nie. Niemand bleibt bis ans Lebensende auf seiner Farm sitzen. Wenn es erst einmal genug Leute gespielt haben, überholt sich das wieder.“

Aber natürlich ist es verführerisch. Nicht umsonst werden derzeit drei Milliarden Stunden pro Woche (!) mit Online Spielen verbracht, nicht umsonst gibt es 82,7 Millionen aktive Landwirte auf FarmVille, nicht umsonst machen die Einwohner der virtuellen Agrar-Idylle bereits 1% der tatsächlichen Weltbevölkerung aus.

Der Reiz ist leicht erklärt: „Social Games“ – wie all diese Spiele so schön heißen – bieten die Möglichkeit, einen Kosmos aufzubauen, über den man Kontrolle hat. Stets behält man den Überblick, kann sich gestaltend einbringen und – innerhalb des geschlossenen Systems wohlgemerkt! – tatsächlich etwas bewirken. Waterloo und Robinson steuern im Hinterkopf den Soundtrack bei: „Das ist meine kleine Welt…“

Überschau- und Kontrollierbarkeit – das sind auch für Vitouch die Schlüsselbegriffe der FarmVille-Mania. Wer seine Farm bewirtschaftet, erntet neben Erbsenschoten auch die sichtbaren Konsequenzen des eigenen Handelns. „Das ist etwas, das in unserer Gesellschaft verloren gegangen ist“, so der Psychologe. Beispiel gefällig? Ein Betrieb – die Deutsche Bank etwa – kann klare Gewinne und Umsatzsteigerungen erzielen, wird aber dennoch Filialen schließen und reihenweise Mitarbeiter „freisetzen“. Lineare Schlüsse à la „Umsatzsteigerung bedeutet Jobsicherheit, Umsatzeinbußen bedeuten Kurzarbeit“ sind längst Mangelware geworden. Wer bewohnt da nicht lieber so einen kleinen Kosmos, in dem die eigenen Aktivitäten logisch vorhersagbare Konsequenzen erzielen? Sprich: Wenn ich gieße, wächst mein Zitronenbaum. Wenn nicht: Selber schuld.

Darüber hinaus wird jegliches Säen und Ernten durch simple lernpsychologische Kniffe versüßt – durch direkte Belohnung und positives Feedback. Vitouch: „Auch das kommt in der Wirtschaft mittlerweile nicht mehr vor, da dort hauptsächlich mit Bestrafungen operiert wird.“ Fazit: Ökonomen sprechen bereits von einem „Massen Exodus“, denn Mitarbeiter flüchten scharenweise vom materiellen hin zum virtuellen Arbeitsplatz.

Arbeitsscheu sind dabei keineswegs, vielmehr hochmotiviert! So eine Farm ist kein Zuckerschlecken. Sie verlangt Hingabe und (teilweise sogar finanziellen) Einsatz, aber die Früchte dieses Einsatzes sind, wenn nicht greif-, so doch klar sichtbar. Und allemal sinnstiftender als dubiose Exceltabellen auf denen sich nicht minder dubiose Abstraktionen des wirtschaftlichen Alltags manifestieren.

Geben wir’s also einfach zu: FarmVille ist die bessere Welt, die täglich frustrierende Tretmühle bloß ein matter Abklatsch.

Warum also verteufeln, was doch so viel vorteilhafter ist als das Leben? Eher gilt es, das Leben so gestalten werden, dass es mithalten kann. Das zumindest ist die Philosophie von Jane McGonigal. Sie forscht am Zukunftsinstitut des Silicon Valleys und ist als Game-Entwicklerin seit Jahren damit beschäftigt, Spielern zunehmend immersivere Welten anzubieten, „bessere“ Alternativen zur Wirklichkeit. Nun schlägt sie vor, den Spieß umzudrehen: „Wir alle sind dafür verantwortlich, der Welt eine zunehmend bessere und immersivere Wirklichkeit zu verpassen!“

Was wie die durchgeknallte Vision einer Blondine auf Droge klingt, ist bei näherer Inspektion derart charmant, dass man es zumindest in Betracht ziehen muss. McGonigal geht davon aus, dass soziale Spiele auch einen sozialen Lernprozess auslösen. Etwa durch die online gelebte Erfahrung von unzähligen Helfern umgeben zu sein und durch diese weltweite Unterstützung bei den eigenen „Aufgaben“ zu erfahren. Gerade junge Spieler durchlaufen hier einen beeindruckenden Sozialisationsprozess: Spielend wandelt sich der Mensch zum kollaborativen Wesen, zur hilfsbereiten Spezies, ungeachtet von nationalen oder sozialen Grenzziehungen.

„Gamer entwickeln eine Virtuosität im Knüpfen engmaschiger sozialer Netze“, weiß McGonigal. Darüber hinaus wissen sie um die Bedeutung von allgemeingültigen Regeln. Sie zeichnen sich durch unerschütterlichen Optimismus aus, da sie gelernt haben: Selbst, wenn das Spiel verloren scheint, ein Überraschungserfolg ist prinzipiell immer möglich. Last but not least: Sie legen eine wahnwitzige Produktivität an den Tag, vorausgesetzt die gestellte Aufgabe scheint lohnenswert: Baum pflanzen, Schafe hüten, verlorene Kuh einfangen…

Unterm Strich formen und formieren sich hier also Menschen, die all das in sich vereinen, wonach sich Nationalökonomen so verzweifelt sehnen. Und das durchaus nicht erst seit Anbeginn der Wirtschaftskrise. O, lasset sie alle in die Farmville-Lehre gehen und dann auf den Rest der Welt los… Ich verspreche auch, die nächste Kuh, die mein Facebook-Profil kreuzt, eigenhändig zurück zu bringen.

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„Sie können das Internet ignorieren. Aber das heißt noch lange nicht, dass es auch Sie vergisst.“ – Kommunikationsberater Klaus Eck über Reputations-Managment im Internet. [Interview erschienen im WIENER Nr. 344 / April 2010]

Man tut es ja selber: Wenn ein neuer Kollege ins Büro kommt, wird erst einmal gegoogelt. Oder man versucht über Xing und Facebook herauszufinden, mit wem man es da künftig zu tun hat. Das ist nicht Cyber-Stalking – das ist stinknormale Neugierde.

Was aber, wenn man auf Informationen stößt, die der Betroffene lieber unter den Teppich gekehrt hätte? „Selbst wenn Sie kaum oder gar nicht im Netz aktiv sind, können Sie nicht davon ausgehen, dass es dort keine Inhalte zu ihrer Person gibt“, schreibt der Karriereberater Klaus Eck. Sein Tipp: Kümmern Sie sich um Ihren Online Ruf. Managen Sie Ihre Reputation, bevor es andere tun! Wie man’s macht, hat er dem WIENER verraten.

Wie kann ich herausfinden, was man im Netz alles über mich weiß?

Klaus Eck: Das kann man sehr einfach durch so genanntes „ego-googeln“, sprich: indem man bei Google den eigenen Namen eingibt und sich ansieht, was unter den ersten 10 bis 30 Treffern zu finden ist.
Die Variante für „Fortgeschrittene“ wäre, einen Google Alert zu setzen, sodass man jedes Mal automatisch darüber informiert wird, wenn etwas Neues über die eigene Person veröffentlicht wurde. Dasselbe geht auch bei Twitter [via „Tweet Beep“ – Anmerkung], da wird man dann darüber informiert, wenn der eigene Name oder eben relevante Schlagworte, die einen selbst betreffen, von anderen getwittert werden.

Fehlinformationen halten sich im Netz ewig…

Informationen sind im Netz für die Ewigkeit geparkt. Sie können keinen Inhalt wirklich löschen. Das kann ihnen auch kein noch so seriöser Dienstleister versprechen. Aber man kann erreichen, dass man unliebsame Inhalte so weit verdrängt, dass sie nicht sofort gefunden werden. Man macht sich zu Nutze, dass es im Netz sehr viel mehr Information gibt als Aufmerksamkeit. Die Frage ist also: Wie sehr recherchieren die Interessenten überhaupt, wenn sie herausfinden wollen, wer ich bin? In der Regel ist es so, dass die erste Ergebnisseite von Google durchgesehen wird, maximal noch die zweite oder dritte – aber weiter nicht. Das heißt: Wenn die negativen Meldungen über mich nicht auf Anhieb unter den ersten zehn Treffern sind, dann ist das nicht besonders dramatisch.

Wie verhalte ich mich dann?

Zuerst überlegen: Handelt es sich um Kritik, die ich durchaus verkrafte und aushalten kann – oder soll ich etwas dagegen tun? Die beste Art, etwas zu tun, ist, Online-Profile anzulegen: auf Google, auf Xing, auf Facebook und verschiedenen anderen Seiten. Das ist alles nicht kostenpflichtig, aber ich erreiche dadurch, dass ich selbst das Bild bestimme, das andere sehen.

Das heißt ORM (Online Reputation Management) ist eine Form von persönlicher Suchmaschinenoptimierung?

Nicht im klassisches Sinne, aber es ist „Social Media Optimization“: Ich lege viele Profile an, die ich gut miteinander verlinke. Das führt dazu, dass diese Profile unter den ersten zehn Treffern zu finden sind, und dadurch das Bild bestimmen, das man sich von mir im Netz machen kann. Ich liefere mich nicht der Beschreibung anderer aus, sondern werde selber aktiv.

In dem Zusammenhang ist oft die Rede von dem Schaden, den exzessive Partybildern auf Facebook anrichten…

Die spielen überhaupt keine Rolle für den Bewerbungsprozess! Zumindest nicht so eine große, wie ihnen zugeschrieben wird, weil jeder Personalverantwortliche auf den Kontext schaut, in dem diese Bilder online gestellt wurden. Wenn er nur Partyfotos findet, ist das nicht besonders geschickt, aber es reicht in der Regel schon, Profilfotos online zu stellen und mit dem eigenen Namen zu „taggen“: Zehn Fotos, die deutlich mit meinem Namen gekennzeichnet sind, haben im Netz eine deutlich stärkere Wirkung als Partybilder, bei denen der Name oft gar nicht darunter steht. Daher sind Profilfotos, die gut verlinkt sind, sehr, sehr wichtig im Internet. Und man sollte möglichst immer das selbe Bild nehmen, um einen guten Wiedererkennungswert zu erzielen.

Gibt es Inhalte, die mir ernsthaft Schaden können?

Rechtsradikale Äußerungen oder andere unflätige Ausreißer. Die sind viel schlimmer als Partybilder – schon einmal, weil Text im Netz viel besser gefunden wird als Fotos. Und wenn ich mich intolerant gegenüber dritten verhalte, hat das eine größere Bedeutung für den Bewerbungsprozess als ein Foto, auf dem ich zeige, dass ich Student bin und feiern kann.

Für den Ernstfall gibt es viele Anbieter, die „Online Image Control“ versprechen. Was machen solche Firmen?

Sie bieten Dienstleistungen an, die bis hin zum juristischen Bereich gehen, d.h. es wird durchaus versucht, Beiträge, die vom Klienten als schädlich empfunden werden, mittels Verfügungen aus dem Netz nehmen zu lassen. Das macht natürlich in einzelnen Fällen auch Sinn, aber man muss sehr viel Geld in die Hand nehmen, damit etwas bewirkt wird. Es ist für den Kunden schwer kontrollierbar und es gibt keine Garantie, dass es funktioniert. Vor allem muss man gegebenenfalls auch damit rechnen, dass es nach hinten losgeht und das z.B. juristische Schritte nur noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf solche Negativmeldungen lenken. Da gab es gerade in der jüngsten Zeit viele Beispiele, wo juristisches Vorgehen zum Bumerang-Effekt wurde.

Und was ist dran, an der Binsenweisheit: „You won’t get the job, if they can’t find you on the internet”?

In den USA wird man bei Bewerbungsgesprächen bereits gefragt, ob man die letzten drei Jahre im Knast war, wenn man im Netz nichts über eine Person findet. Bei uns fängt dieser Zugang langsam erst an…

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[Erschienen im WIENER Nr. 344 / April 2010]

Ist ja nicht so, dass Geocaching etwas Neues wäre. Die High-Tech-Schnitzeljagd findet weltweit bereits seit 10 Jahren statt. Damals nämlich, als sich – Clinton sei Dank – die US Regierung entschloss, die „künstliche Verfälschung“ von GPS-Koordinaten abzuschalten. Genaue Ortung von Positionen war bis dato ausschließlich fürs US-Militär reserviert, Navigationsgeräte für Otto Normalverbraucher wurden mittels Störtechnik blind und blöd gehalten. Genau damit machte der allentscheidende Knopfdruck Bill Clintons Schluss, die Präzision der Ortung machte einen Quantensprung – und das für jeden, der sich im glücklichen Besitz eines „Navis“ befand.

Der Homo Ludens jedoch definiert sich über das Spiel. „Wir spielen mit milliardenschwerer Technik des US-Militärs, und was macht ihr so bei euren Hobbies?“, heißt es gerne in Geocache-Kreisen. In der Tat: Am 2. Mai fiel die „selective availability“ – am 3. Mai, erraten, wurde die neugewonnene GPS-Freiheit erstmals zur Schnitzeljagd Deluxe genutzt. Geocaching ward geboren. Aber zum Breiten-Hype ist es erst jetzt herangewachsen. Warum? Wegen der plötzlichen Niederschwelligkeit dank moderner Smartphones; die brechen die Vorherrschaft der Tech-Elite und liefern GPS-Ortung für die Hosentasche. Voilà, ein veritables Schnitzeljagd-Revival!

„Geocaching“ – die Wortschöpfung setzt sich zusammen aus „Geo“ (für Erde) und aus „Cache“ für Lager oder Versteck. Letzteres vielleicht ungewöhnlich, aber bereits bei Karl May gut eingeführt. Um was es dabei geht, hat der deutsche Komiker Bernhard („Genial daneben“) Hoëcker, selbst Schnitzeljäger aus Passion, definiert: „Irgendjemand bewegt sich irgendwohin und versteckt irgendwo irgendwie irgendwas. Er notiert sich das irgendwo in Form von GPS-Koordinaten und setzt diese dann ins Internet.“

Konkreter: Es werden Schätze, sogenannte „Caches“, versteckt und ihre geographischen Daten auf einer Internetplattform veröffentlicht. Somit hat eine weltweite Community die Möglichkeit, sich auf die Suche zu machen: Einer für alle, alle für einen. Im Mittelpunkt steht nicht der Wert des Caches, sondern der Thrill der Jagd, die exklusive Gefinkeltheit des Verstecks. Denn es braucht eine Mischung aus Kombinationsgabe und Adlerblick, um Caches aufzustöbern: Das können fingernagelgroße, magnetische Döschen sein, die auf der Rückseite von Verkehrsschildern angebracht sind. Oder Filmdosen, die derart in Astlöchern stecken, dass nur der Deckel sichtbar ist. Beliebt sind – will man Hoëcker Glauben schenken – auch Stuhlproberöhrchen. Weil sie so schön wasserdicht sind. Das selbe gilt für jede Art von Tupperware, welche wohl die weitverbreitetste Art von Cache konstituiert. Im Prinzip geht alles, solang es wetterfest ist und Platz für ein Logbuch bietet, in das der stolze Finder sich eintragen kann. Der Fantasie sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt: Unterwassercaches für Taucher gibt es ebenso wie solche, für die man eine Kletterausrüstung braucht. Es gibt Caches in der Antarktis und gar einen im 7000 Meter Höhe am Mount Everest.

„Mich fasziniert Geocaching“, sagt High Tech-Pfadfinder G. (42), „Es verbindet neue Medien – sprich die Web 2.0-Möglichkeiten der sozialen Interaktion – mit elektronischen Gadgets, die lustig und interessant sind, weil es auf diesem Gebiet auch ständig Innovationen gibt. Und das ganze in der Natur bzw. in der Stadt.“ G. ist erst seit kurzem dabei. Gemeinsam mit seiner Frau übrigens – denn auch das ist ein Merkmal des Games: Kaum jemand betreibt es alleine. Geocacher sind oft Paare oder Gruppen, viele Familien nutzen es um ihre renitenten Lendensprosse zum Sonntagsausflug zu motivieren…

„Was wirklich verblüfft“, berichtet G., „Ist mit welch anderen Augen man durch die Stadt geht. Plötzlich achtet man auf Details, denn alles könnte ein Hinweis sein, um (d)einen Schatz zu finden.“ Das betrifft vor allem sogenannte „Multicaches“: klassische Schnitzeljagden, bei denen man sich von Station zu Station vorarbeitet, wobei nur die GPS-Daten der ersten Station bekannt sind. Da gilt es Buchstaben in Ornamenten zu erspähen oder die Quersumme aus einer Hausnummer mit Pi multiplizieren, man dechiffriert die Farbcodes von elektrischen Widerständen, zählt Marmorstatuen an Hausfassaden ab und liest sich ein in Binärcodes, Runen und chemische Elemente. Indiana Jones meets DaVinci-Code am Karlsplatz. Nach Schiller ist das Spiel jene menschliche Leistung, die allein in der Lage ist, die Ganzheitlichkeit der menschlichen Fähigkeiten hervorzubringen. Beweisführung hiermit angetreten.

Unterdessen ist aber auch jenes eherne Gebot zu achten, das schon Harry Potter Kopfzerbrechen bereitete: Nicht von Muggles erwischen lassen! Gerade an sehr öffentlichen Plätzen (Strudelhofstiege, Hochstrahlbrunnen, Johann Strauß Denkmal) will man kein Aufsehen erregen, will die Mission nicht gefährden. Flughafen-Caches sind aus dem selben Grund verboten. Sonst hätte wohl schon manch unschuldige Tupperdose die Anti-Terroreinheit auf den Plan gerufen…

Apropos Schiller. Der war auch davon überzeugt, dass der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt. Also spazieren Sie noch oder geocachen Sie schon?

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Frauen tun es bei Jeans, Männer bei Kondomen: Jetzt sollen falsche Größenangaben salonfähig werden. [Erschienen im WIENER Nr. 344 / April 2010]

Das Kinsey Institut schlägt Alarm: Einer Studie zufolge greifen Männer bei Kondomkäufen regelmäßig zur falschen Packung. Man(n) gesteht sich einfach nicht gerne ein, dass „small“ durchaus ausreichend wäre für den „kleinen (sic!) Freund“. Wenn’s um Kondomgrößen geht, siegt allemal Eitelkeit über Sicherheit.

„Es ist ein bekanntes Phänomen“, weiß Bill Yarber, Verantwortlicher für Kinseys Kondomforschung: „Frauen haben gemeinhin keinen Penisneid. Männer schon.“

Das Ergebnis? In der Hitze des Gefechts rutscht der Gummi oder macht allerhand unliebsame Spompanadln. Verrutschen und reißen inklusive. Kommt Ihnen bekannt vor? Damit sind sie nicht allein: Immerhin 44,75 der befragten Männer klagen über Kummer mit fehldimensionierten Helferleins. Es kommt eben doch auf die (Konfektions-)Größe an.

Das Team der Kinsey-Wissenschafter hat daher eine salomonische Lösung ersonnen. Ähnlich wie bei den Damen, die trotz Rubens-Maßen konsequent zu X-Small Jeans greifen, soll erst gar nicht versucht werden, die männliche Selbsteinschätzung zu ändern.Was aber sehr wohl geändert werden soll, ist die Beschriftung der Kondompackungen: Die kleinste Größe soll fortan „Large“ heißen, gefolgt von „X-Large“ und „XX-Large“. Also Ego-Boost und sichere Verhütung in einem – ganz schön clever!

Dr. William Yarbers Podcast zu seiner „Condom Fit“- Studie können Sie übrigens auf der Website des British Medicine Journals anhören und downloaden, unter http://podcasts.bmj.com/sti/

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