Feed on
Posts
Comments

„Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als H.C. Strache?“ fragt eine Facebook Gruppe. 160.000 Slacktivisten – ich inklusive – nahmen sich ein Herz. [Erschienen im WIENER Nr.345 / Mai 2010]

Das heißt, sie wurden Fans des Facebook-Ziegels, der den blau-gelackten Populisten (zum Stichtag gerade mal 29.000 Fans) damit locker zementierte.

H. (ohne C.) sagt, er mag sonst auch keine Facebook Gruppen, aber dieser muss man einfach beitreten, denn sie setzt ein Zeichen. Hmmm, denke ich. Ein Zeichen wofür? Dafür, dass die politisch Interessierten zu viel Zeit auf Facebook verbringen? Dafür, dass sich das aktivistische Potential der Digital Natives auf den Mausklick „Gefällt mir“ beschränkt? Gibt übrigens einen eigenen Ausdruck dafür: Slacktivism.

Zugegeben, die beiden Worte „slacker“ und „activism“ scheinen unvereinbar. Manifestiert sich in ersterem doch die reinste Form des Nichtstuns, des chilligen Abhängens am Sofa, jener von Fernbedienungen und Bierflaschen gesäumten Insel der Seeligen. Zweiteres stellt hierzu den antithetischen Lebensentwurf dar. Wer also bestrebt ist, sich mit einem denkbaren Minimum an Aktivität den denkbar größten Anschein von Engagement zu verleihen, darf nunmehr stolz den Titel „Slacktivist“ tragen. Und der Ziegelstein war bei Gott nicht der erste, an den man vor Verzweiflung den Kopf knallen wollte.

Wir erinnern uns an den „Sea of Green“? An jene grünen Welle, die im Vorjahr durch sämtliche sozialen Netzwerke schwappte und Profilbilder entsprechend einfärbte? Um Solidarität mit der „Green Revolution“ im Iran ging’s da. „Ich finde es zutiefst rätselhaft“, schreibt ein bekannter australischer Blogger, „Dass die Leute tatsächlich denken, diese grünen Avatare hätten irgendeine Auswirkung auf das Leben von Menschen, mal abgesehen von ihrem eigenen und dem flauschig-warmen Gefühl der politischen Korrektheit: Oh yeah, ich bin Teil der iranischen Revolution! Zeit für einen Latte Macchiato mit Sojamilch.“

„Slacktivism“ – das ist der Terminus für das Lippenbekenntnis 2.0, für – so meinen zumindest die Gegner – jenen Feel-Good-Online-Aktivismus, der genau null politische oder soziale Folgen hat. Ist ja auch wesentlich komfortabler, mal schnell einer „Rettet den Baum“-Gruppe beizutreten, als sich an selbigen zu ketten und die Bekanntschaft mit polizeilichen Gummiknüppeln zu riskieren. Die Mama hat so was ja angeblich 1984 gemacht. Irgendwo in Niederösterreich nahe Hainburg. Wahrscheinlich nur, weil sie kein Internet und somit keine Alternative hatte.

Heute macht man das schicker. Man trägt ein Armband, ein sogenanntes „Awareness bracelet“ (sic!) gegen all die Armut auf der Welt. Oh jetzt wäre es leicht, den Verfall der politischen Sitten und die schnöde Schein-Demokratie der schönen neuen Online-Welt anzuprangern. Mach ich nicht. Es reicht völlig, dass Robert Korbei, der Geschäftsführer der Wiener Grünen, in diese Falle getappt ist, als er sinngemäß meinte, online kann jeder, erst wer auf Märkten Flyer verteilt, hat das Recht, mitzureden.

Und dann kam jene Lichterkette ums Parlament, die ihre Existenz einzig und allein Facebook schuldete. Gefolgt von #unibrennt – einer Organisation, die gezeigt hat, welch handfeste Auswirkungen Online-Aktivismus in der Praxis haben kann. Ach, und www.freerice.com, der wahrgewordene feuchte Traum jedes Slacktivisten: Eine Website, die es schafft, 7000 Menschen täglich zu ernähren – nur dadurch, dass ein paar Nerds dort ihr Englisch aufbessern. Das Prinzip ist genial. Surfen Sie hin und überzeugen Sie sich selbst. Bringt jedenfalls mehr, als Welthunger auf Facebook zu „bekämpfen“. Und wenn Sie schon dabei sind: Tätigen Sie ihre mazonkäufe doch einfach über www.laafi.at/amazon. Ist zur Abwechslung mal eine österreichische Initiative und bringt wirklich was.

So eindeutig ist das halt nicht mit dem Slacktivism. Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil genauso wahr, sprach Hesses Siddharta. Aber das muss man eben erst einmal aushalten…

Leave a Reply

Transparenzgesetz.at Info-Logo