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[Erschienen im WIENER 347 / Juli 2010]

Mark Zuckerbergs allabendlichen Gute-Nacht-Dialog mit seinem selbstgenähten Kuschel-Darth-Vader stelle ich mir in etwa so vor wie die berühmten Schlussworte aus der Serie „Pinky & Brain“:
„Komm jetzt“, sagt der Zuckerbub vor dem Zu-Bett-Gehen, „Wir müssen uns auf morgen Abend vorbereiten.“ – „Was machen wir denn morgen Abend, Mark?“, fragt Darth Vader, der die Antwort eigentlich kennen müsste. – „Dasselbe wie jeden Abend, Darth. Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen.“
Dann legt der Zuckerbub den schwarzen Kapuzenpulli feinsäuberlich ans Fussende seines Bettes (ich stell mir da ein hübsches Geek-Bettzeug vor, vielleicht mit einem Todesstern drauf) und entschlummert mit kindlichem Seufzer in die Welt seiner Träume.
Unter Facebook-blauem Himmel grasen dort die Farmville Schafe und fragen “Welche Seifensorte bist du?“. Rasch einen Glückskeks geöffnet, ah da steht es ja: „Das ganze Web gehört gefällt dir!“

So ähnlich muss es wohl gewesen sein, in der Nacht bevor Zuckerberg beschloss, seinen „Gefällt mir“-Knopf aus den facebook-basierten Fesseln zu befreien und als Applikation wwweltweit zur Verfügung zu stellen. Aber lasst uns einen Schritt zurück gehen: Was ist dieser Knopf und was kann er?

Wer auf Facebook ist – das sind inzwischen fast 2 Millionen Österreicher – kennt ihn längst: Ein kleiner blauer Daumen, eine „Thumbs-Up“-Geste, die symbolisiert: Mir gefällt das! „Das“ kann dabei recht vielfältig ausfallen, sei es eine gewitzte Wortmeldung, ein Video, ein Urlaubsfoto, kurz: Ich kann jeder Art von Content durch einen simplen Klick meine Wertschätzung ausdrücken. Aber warum eigentlich nur auf Facebook? Was, wenn mir ein Artikel in der Huffington Post oder der FAZ oder – um es mal eine Nummer kleiner zu geben – im Blog meiner Schwester gefällt? Eben dafür hat Zuckerberg eine Lösung gebastelt: Seit Ende April bietet eine kleine Erweiterung jedem User die Möglichkeit, den identen „Gefällt mir“-Knopf auf seiner eigenen Website oder dem eigenen Blog zu integrieren. Ja mehr noch, wird der Knopf dort geklickt, sendet er ein Signal an Facebook, sodass auch innerhalb der Facebook-Community jeder sehen kann, wie super beliebt meine Website ist!

Die Euphorie war entsprechend groß. Das Leben im Web funktioniert, wie es so schön heißt, über Liebe und Links. Das ist die Währung der „Thank You“-Economy: Ich verlinke dich, du verlinkst mich. Ich empfehle dich weiter, du erwiderst den Gefallen. Nur so kann es gelingen, Oberwasser im unfasslich großen Datenmeer zu erlangen, nur so kann meine Website überhaupt wahrgenommen werden – von Menschen ebenso wie Suchmaschinen.
Und nun stieg er also herab, Gott Zuckerberg, teilte das Datenmeer und drückte jedem Nutzer einen Kompass in die Hand. Endlich Schluss mit der Orientierungslosigkeit! Endlich Schluss mit dem mühevollen Jappeln um Liebe und Links. Voilà, der „Gefällt mir“-Knopf!
Dass die Nadel dieses Kompasses unweigerlich gen Facebook zeigt, muss uns nicht weiter bekümmern… Oder doch?

Noch ein Schritt zurück: Was macht Facebook da eigentlich? Facebook sammelt Daten. Logisch, ist ja sein Kerngeschäft. Bislang innerhalb der eigenen vier Wände, aber das reicht längst nicht mehr. Man will nicht bloß das größte Social Network sein. Man will der größte Player im Netz sein und schickt vorsorglich schon mal eine Warnung an Google: „The future is social, not search!”

Für die User bedeutet das, vieles wird einfacher. Das Netz rückt näher zusammen. Es wird leichter seine Aktivitäten und Vorlieben mit Freunden zu teilen. Es wird leichter, sich zu vernetzen.
Schwieriger wird es, auf seine Privatsphäre zu achten, die entsprechenden Vorkehrungen lassen sich zwar auf Facebook einstellen, dies jedoch zunehmend komplexer und undurchschaubarer. Den meisten Usern – und das ist ja auch die Absicht dahinter – ist das zu anstrengend. Die versuchen’s erst gar nicht.

„Do no evil“ mag zwar Googles Firmenphilosophie sein, die von Facebook ist es aber garantiert nicht. Milchgesicht Zuckerberg glaubt nicht an Privatsphäre, das hat er wieder und wieder bewiesen. Dennoch: Die Apokalypse droht nicht. “In der häufig die Gemüter erhitzenden Datenschutzdebatte wird eines ganz gerne übersehen“, meint Web-Profi Ritchie Pettauer, „Ohne Datenaustausch keine Kommunikation.“ (Originalzitat: hier) Sprich: Vorsicht, ja; Panik, bitte nicht!

Für die Werber bedeutet der webweite „Gefällt mir“-Knopf ein Eldorado der Präferenz-Analyse! Personalisierte Werbung ohne Ende. Da liegt das Geld, das weiß Zuckerberg – und die werbetreibende Wirtschaft weiß es ebenso. „Personalized media“ ist das Gebot der Stunde. Das bedeutet nicht nur Werbung, sondern auch Websites, die sich je nach Besucher anders aufbauen. Franz mit Heimwerker-Vorlieben bekommt ein anderes Layout und andere Inhalte serviert als Karl, der auf Hardrock steht. Dafür braucht Franz nicht einmal auf den „Gefällt mir“-Knopf bei Hilti klicken, denn ist der Knopf bei Hilti einmal installiert, kann Facebook auch das „Vorbeigehen“ daran erfassen. Klicken ist Kür, längst nicht mehr Pflicht. Franz hinterlässt seine Duftmarkierung unbewusst auf jeder mit Knopf versehenen Seite. Und Milliarden an Firmen scharen in den Starlöchern um ihre Werbe-Dollar an den punktgenau anvisierten Mann zu bringen. Zuckerberg muss nur die Hand aufhalten.

Wir werden alle verfacebooked. Was das konkret für die Zukunft des Webs bedeutet, lässt sich schwer abschätzen. Aus einem Netz der Vielen wird, das zeichnet sich ab, ein Netz einiger weniger. Eine Daten-Oligarchie.
WIRED, Leitmedium in Sachen Netzkultur, bringt es auf den Punkt: „Die Frage der Zukunft wird sein, ob du Facebook benützt oder ob Facebook dich benützt.“


Weiterlesen? „Facebook’s Gone Rogue; It’s Time for an Open Alternative“ (WIRED, 7.5.2010)

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Wettervorhersage

Vergessen Sie online! Gehen Sie lieber ins Freibad, denn die Hitze stärkt den Troll in uns. Shitstorm inklusive. [Erschienen im WIENER 347 / Juli 2010]

Ich sag’s gleich: ich war noch nie in einem Shitstorm. Weder gebend, noch nehmend. Ich bin ja auch ein emotionales Vaserl, harmoniebedürftig bis zum Gehtnichtmehr. (Doch lassen wir jetzt mal die berechtigte Frage „Was machst du dann eigentlich im Web?“ beiseite.)

Ein Shitstorm liegt dann vor, wenn, um mit Sascha Lobo zu sprechen, „in kurzem Zeitraum eine subjektiv große Anzahl von kritischen Äußerungen getätigt wird, von denen sich zumindest ein Teil vom ursprünglichen Thema ablöst und stattdessen aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend geführt wird.“ Also: „Censilia ist eine blöde Funsn mit schmutzigen Fingernägeln“ statt der sachlich vielleicht berechtigteren Kritik, dass EU-Innenkommissarin Malmström uninformierte Entscheidungen in puncto Netzpolitik trifft. Aber um Kritik geht’s ja auch gar nicht. Kritik ist eine Kulturtechnik. Sie muss erlernt und perfektioniert werden. Shitstorming – das kann echt jeder.

Ein Shitstorm, das ist, was über mich hereinbricht, wenn ich meinen Kindern Tiefkühl-Spinat vorsetze. Das ist reflexartiges „Igittigittigitt“ und „Wäh, grauslich“ statt durchdachter Argumentation à la „Es gibt Studien, die belegen, das in 75% aller Fälle die Kühlkette beim Transport unterbrochen wird. Gerade bei Spinat, liebe Mama, kann das zu Problemen mit Nitrit führen, ein Gesundheitsrisiko für Kleinkinder wie uns.“ – Sie sehen: Kritik geht mit drei eben noch nicht. Shitstorming dafür locker. Und jetzt auch noch mit Internet!

Das Internet hat so seine inhärenten Mechanismen. Einer davon wurde recht deutlich in der „Greater Internet Fuckwad Theory“ konstituiert: Dass nämlich selbst die harmlosesten Seelen eine negativen Persönlichkeitswandlung erfahren, wenn man ihnen bloß Anonymität und ein Publikum schenkt. Anders gesagt: Wer auch immer das Internet nützt, wird zum Arschloch. Ein bisserl Arschloch oder, um im Netzjargon zu bleiben, ein kleiner Troll steckt wohl in jedem von uns, psychohygienisch wertvoll und entscheidend für jede Managerkarriere. Aber erst in unserer Konfrontation mit einem Shitstorm zeigt sich, ob wir es verstehen, mit diesen unzureichend integrierten Persönlichkeitsaspekten umzugehen. Denn worum geht es, wenn solch seismische Empörungswellen durchs Netz schwappen? Mitnichten um Inhalte. Es geht um Will-auch-dabei-sein, Mag-zur-Incrowd-gehören, Kenne-die-Hintergründe-nicht-finde-es-aber-sicherheitshalber-doof.

Es geht darum, so Shitstorm-Experte Lobo, dass eine kritische Menge einer Teilöffentlichkeit (also z.B. ausreichend viele Twitteranten), mit den richtigen Schlagwörtern getriggert werden. Mit „Musikindustrie“ etwa. Oder „Censilia“. Oder „Meerschweinchen“.

Dann geht er los, der Scheißesturm im Wasserglas. Jeder hat was zu senfen, jeder ist selbstverständlich total dagegen – und je höher der innere Trollanteil, desto unreflektiert-ausfälliger. Nein, das ist keine Kritik an der Musikindustrie. Das fungiert vielmehr als Antikritik, weil es eigentlich notwendige Kritik diskreditiert, weil es von Missständen ablenkt statt sie aufzuzeigen. Ist doch so: Der Shitstorm lenkt die Aufmerksamkeit einzig und allein auf sich selber, nicht auf seinen Auslöser.

Nun wollen Sie eine Conclusio hören? Gibt keine. Gehen Sie ins Gänsehäufel bis sich die binäre Schlechtwetterfront verzogen hat. Ist ja Sommer.

DISCLAIMER: Ja, ich habe Sascha Lobos Vortrag (hier!) gehört. Wenn Sie meinen, ich hätte ihn hier gnadenlos (auch ungekennzeichnet) zitiert, könnten Sie recht haben. Nachzuprüfen unter obigem Link.

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Neustart fürs Hirn

Dass neue Medien unser Gehirn verändern, ist weitgehend unbestritten. Offen ist die Frage, ob das für den Menschen vor- oder nachteilig  ist. [Erschienen im WIENER 347 /Juli 2010]

Junge Menschen haben dicke Daumen. Nein, nicht sichtbar, aber die Repräsentanz des Daumens im Gehirn ist bei Jugendlichen deutlich stärker ausgeprägt als bei den vorhergehenden Generationen. Sie brauchen ihn ja auch öfters, denn sie tippen damit, wie jüngst ein amerikanisches Mädchen, bis zu 14.528 SMS im Monat. Die Folge ist nicht nur eine horrende Telefonrechnung, sondern auch eine Veränderung der Gehirnstrukturen. Der Kortex folgt dem Gebote Darwins und passt sich den Umweltanforderungen an: Es entstehen dichtere und auch immer zuverlässigere Vernetzungen, die schnelle Daumenbewegungen zulassen.

Jede neue Technik verändert also den Menschen. Oder richtiger: Unser Umgang mit Technik verändert uns, denn Technik selber – das sei gleich zu Beginn allen Verschwörungstheoretikern ins Stammbuch geschrieben – kann nichts mit dem Menschen anstellen, wozu dieser nicht explizit einlädt. Ohne unseren Willen, ohne gesellschaftlichen Bedarf, vermag Technik sich nicht durchzusetzen. Wo sie sich aber durchsetzt, schreibt sie sich tief in unsere cerebralen Steuerungszentren. Wir sind umgeben von Technik, allen voran von technisch gestützten Medien, die sich einzig und allein durch unseren Bedarf etabliert haben. Richtig, der Mensch ist als Gottes Ebenbild konzipiert worden, de facto ist er aber ein schauerliches Mängelwesen. Er bedarf der Medien – insbesondere des Mediums Sprache – um sich aus seiner Hilflosigkeit befreien zu können. Unser Gedächtnis ist kurz, aber das Medium Schrift verlängert es über Jahrhunderte hinaus. Unsere Stimmen sind leise. Sie können nicht bis ans andere Ende der Welt grollen, wie jener Gott, dem wir angeblich ähneln. Zwecks Kompensation haben wir das Telefon erfunden. Auch unsere Augen blicken nicht bis Afghanistan, aber das Fernsehen überwindet die Distanz für uns.

Schon Sigmund Freud war fasziniert von diesem Gedanken: unsere technischen Errungenschaften sah er als „Prothesen“, als Erweiterung unserer sensorischen und motorischen Möglichkeiten. Wir sind tatsächlich nicht als Gottes Ebenbild auf die Welt gekommen, nähern uns aber diesem (selbstgesteckten?) Ideal durch Hilfsmittel an. „Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott geworden“, schreibt Freud, „recht großartig, wenn er alle seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen.“

Das hat etwas ungemein Prophetisches. Sieht man sich den Kulturkampf an, der heute zwischen Digital Natives und Internetskeptikern tobt, so meint man, Freud hätte in der Berggasse eine Kristallkugel stehen gehabt. Tatsächlich machen uns die Prothesen, so großartig und selbstgewählt sie auch sein mögen, viel zu schaffen. Spürbar wird vor allem eines: Wir stehen vor dem vielleicht letzten, zumindest aber dem bislang umfassendsten Schritt in Richtung Prothesengottheit. Der menschliche Cortex hat das begriffen. Er passt sich an.

Veränderungen sind jedoch zweischneidig: Sie erfüllen Fraktion A mit manischer Zukunfts-Euphorie und Fraktion B mit panischer Zukunfts-Angst. Frank Schirrmacher (Buchtipp 1) lässt sich nur ungern der Fraktion B zuzählen (das wäre auch ungerecht); seine Angst artikuliert er aber deutlich: „Bei technischen Entwicklungen ist es immer so, dass man spürt, was man gewonnen hat, nicht was man verloren hat.“

High-Speed-Informationstechnologien zeichnen für eine Reihe herber Verluste verantwortlich: Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitsspanne, Gedächtnis, Wahrnehmung der eigenen Körperempfindungen (wie z.B. Durst oder Hunger) – das alles ist belegbar und durch Studien hinlänglich erforscht. Dazu kommen noch ideelle Konzepte, kulturabhängig und nicht so leicht greifbar: Privatsphäre, „G’spür“ für sensible Daten, Trennung von Arbeit und Freizeit. Oder – und hier liegt Schirrmachers Hauptsorge – Urteilsvermögen und Bauchgefühl. Wir sind, so meint er, in einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft, ohne jedoch zu wissen, ob das, was uns in derartige Anspannung versetzt, nun wichtig ist oder nicht. Durch die überbordende Informationsflut hätten wir den Instinkt verloren, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden.

Oder haben wir ihn eher delegiert als verloren? Neue Medien, so die Gegenthese, dienen der Auslagerung. Seit Anbeginn seiner Entwicklung ist der Mensch bestrebt, Gehirntätigkeit auszulagern: durch Sprache, durch Schrift, durch Computer. Auslagerung schafft Raum für Kreativität, fördert Begabungen, die andernfalls zugemüllt wären. Eine neue Art von Intelligenz entsteht. Eine kollaborative, vernetzte, wie sie etwa im Vorzeigebeispiel Wikipedia zur Entfaltung kommt. „Die alten kognitive Fähigkeiten, die wir für persönlich und subjektiv halten, werden kollektiv und objektiv“, argumentiert Frank Hartmann (Buchtipp 2). Erst damit, so seine Folgerung, beginnt der Mensch sein Potential auszuschöpfen: „Wir sind mittendrin im Projekt der Menschwerdung.“ Es mag also sein, dass unsere durchaus realen Anpassungsschmerzen, nicht dem Todeskampf unseres Gehirns entspringen, sondern seinen Geburtswehen…

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Miss Netzleben hat ein gebrochenes Herz. Aber wohin damit in ihrer digitalen Welt? Ein Problem aus der Beziehungkiste 2.0 [Erschienen im WIENER 346 / Juni 2010]

„Einem Autobus und einem Mann rennt man nicht nach“, hat die Oma gesagt. Und in puncto Autobus halt ich mich da dran. An denen hat sich ja nichts Grundsätzliches verändert seit Omas Zeiten. Richtig, an den Männern auch nicht. Aber während die Straßen, die so ein Autobus befährt nach wie vor die altbekannten Schlaglöcher aufweisen, sind die Gefahrenquellen am Datenhighway ständig im Fluss. Die Männer mögen die gleichen sein – aber die Kommunikationswege zu ihnen… OMG! Jede neue Informationstechnologie, so heißt es, bringt neue Kulturen des Gebrauchs mit sich. Was sie nicht mit sich bringt, ist eine Gebrauchsanleitung. Ich weiß, wovon ich rede…

Bin ja auch nicht mehr die jüngste. Ich habe Liebeskummer in Zeiten des Vierteltelefons erlebt. Als man sich der Illusion hingeben konnte, er hat eh angerufen, ist bloß nicht durchgekommen, weil die blöden Nachbarn immer so lang in der Leitung hängen.
Dann kam Liebeskummer in Zeiten des zwar ganzen, aber AB-losen Anschlusses als die Affirmation lautete „Er hat eh angerufen, aber vermutlich war ich da grad Milch holen.“ Und keine Gerätschaft, die das Gegenteil hätte belegen können.

In der Tat trat der erste Anrufbeantworter ein paar Jahre später den Beweis an: Er hatte angerufen. Was nun? Zurückrufen? Gleich – später – nie? Neue Technologien werfen eben stets neue Fragen auf. Die 90er Jahre brachten den ersten Liebeskummer per Mail. Kann mich erinnern, als mein Mailbox-Provider ausgerechnet über die Weihnachtsfeiertage w.o. gegeben hat und wir (der Liebeskummer, mein Sidekick und ich) mit Brechstange und Bonbonniere nach Meidling gefahren sind, zu den feiertäglichen verschlossenen Headquarters des mistigen Providers. Ich erspar Ihnen die Details.

E-Mails sind Amors elektronische Munition, in halluzinogenes Suchtgift getränkte Pfeilspitzen. Warum wurde „Gut gegen Nordwind“ der österreichische Bestseller der letzten Jahre? Weil wir es alle schon erlebt haben. Ich auch wieder mal. Gerade eben.

Und wohin jetzt mit den Scherben? Ich habe ein iPhone. Mir entgeht kein Anruf, keine Mail, kein Tweet und kein Status-Update auf Facebook. Ich kann nicht mehr Milch holen gehen und mich in hoffnungsschwangerer Illusion wiegen. Wenn er sich nicht meldet, dann weiß ich, woran es liegt: Nämlich daran, dass er sich nicht meldet. Punktum.

Ich bin Web 2.0 sozialisiert. Ich habe gelernt, dass Authentizität und Echtzeit-Kommunikation die Währung meiner Community sind. Ich habe miterlebt welch ein engmaschiges Feuerwehrnetz Twitter sein kann, wenn es einem von uns mal richtig dreckig geht. Habe schon selber mitternächtliche Taxifahrten mitorganisiert, um einem per Tweet angedeuteten Suizid zuvorzukommen. Das Web ist voller Menschen. Und wo Menschen sind, wohnt Drama. „Keine Angst“, singt Hansi Lang in meinem iPod. Ich habe keine Angst. Ich bin mit all meinem Drama eine Gleiche unter Gleichen. Lasst es mich in eine Webcam schreien.

Oder auch nicht. Denn: Meine Eltern, mein Ex, meine halbe Schulklasse, meine Arbeitskolleginnen sind auf Facebook. Das sind keine Authentizitäts-geeichten Poweruser. Das sind Farmville-spielende Lurker! Kein sicherer Hafen für mein Herz. Und er liest meine Tweets. Das hätte die Oma gar nicht gut gefunden, wenn ich ihm nicht nur nachrenne, sondern auch noch mitlesen lasse, wie’s mir dabei geht.

Was tun? Sinnlos, so viele graue Zellen auf dem Altar dieser Frage zu opfern. Ich war immer ein Mensch der Sehnsucht, nicht der Taktik. Ich ruf ihn jetzt an. „Oldschool“, wie wir Community-Nerds sagen würden…

„Einem Autobus und einem Mann rennt man nicht nach“, hat die Oma gesagt. Und in puncto Autobus halt ich mich da dran. An denen hat sich ja nichts Grundsätzliches verändert seit Omas Zeiten. Richtig, an den Männern auch nicht. Aber während die Straßen, die so ein Autobus befährt nach wie vor die altbekannten Schlaglöcher aufweisen, sind die Gefahrenquellen am Datenhighway ständig im Fluss. Die Männer mögen die gleichen sein – aber die Kommunikationswege zu ihnen… OMG!

Jede neue Informationstechnologie, so heißt es, bringt neue Kulturen des Gebrauchs mit sich. Was sie nicht mit sich bringt, ist eine Gebrauchsanleitung. Ich weiß, wovon ich rede…

Bin ja auch nicht mehr die jüngste. Ich habe Liebeskummer in Zeiten des Vierteltelefons erlebt. Als man sich der Illusion hingeben konnte, er hat eh angerufen, ist bloß nicht durchgekommen, weil die blöden Nachbarn immer so lang in der Leitung hängen.

Dann kam Liebeskummer in Zeiten des zwar ganzen, aber AB-losen Anschlusses als die Affirmation lautete „Er hat eh angerufen, aber vermutlich war ich da grad Milch holen.“ Und keine Gerätschaft, die das Gegenteil hätte belegen können.

In der Tat trat der erste Anrufbeantworter ein paar Jahre später den Beweis an: Er hatte angerufen. Was nun? Zurückrufen? Gleich – später – nie? Neue Technologien werfen eben stets neue Fragen auf.

Die 90er Jahre brachten den ersten Liebeskummer per Mail. Kann mich erinnern, als mein Mailbox-Provider ausgerechnet über die Weihnachtsfeiertage w.o. gegeben hat und wir (der Liebeskummer, mein Sidekick und ich) mit Brechstange und Bonbonniere nach Meidling gefahren sind, zu den feiertäglichen verschlossenen Headquarters des mistigen Providers. Ich erspar Ihnen die Details.

E-Mails sind Amors elektronische Munition, in halluzinogenes Suchtgift getränkte Pfeilspitzen. Warum wurde „Gut gegen Nordwind“ der österreichische Bestseller der letzten Jahre? Weil wir es alle schon erlebt haben. Ich auch wieder mal. Gerade eben.

Und wohin jetzt mit den Scherben? Ich habe ein iPhone. Mir entgeht kein Anruf, keine Mail, kein Tweet und kein Status-Update auf Facebook. Ich kann nicht mehr Milch holen gehen und mich in hoffnungsschwangerer Illusion wiegen. Wenn er sich nicht meldet, dann weiß ich, woran es liegt: Nämlich daran, dass er sich nicht meldet. Punktum.

Ich bin Web 2.0 sozialisiert. Ich habe gelernt, dass Authentizität und Echtzeit-Kommunikation die Währung meiner Community sind. Ich habe miterlebt welch ein engmaschiges Feuerwehrnetz Twitter sein kann, wenn es einem von uns mal richtig dreckig geht. Habe schon selber mitternächtliche Taxifahrten mitorganisiert, um einem per Tweet angedeuteten Suizid zuvorzukommen. Das Web ist voller Menschen. Und wo Menschen sind, wohnt Drama. „Keine Angst“, singt Hansi Lang in meinem iPod. Ich habe keine Angst. Ich bin mit all meinem Drama eine Gleiche unter Gleichen. Lasst es mich in eine Webcam schreien.

Oder auch nicht. Denn: Meine Eltern, mein Ex, meine halbe Schulklasse, meine Arbeitskolleginnen sind auf Facebook. Das sind keine Authentizitäts-geeichten Poweruser. Das sind Farmville-spielende Lurker[1]! Kein sicherer Hafen für mein Herz.

Und er liest meine Tweets. Das hätte die Oma gar nicht gut gefunden, wenn ich ihm nicht nur nachrenne, sondern auch noch mitlesen lasse, wie’s mir dabei geht.

Was tun? Sinnlos, so viele graue Zellen auf dem Altar dieser Frage zu opfern. Ich war immer ein Mensch der Sehnsucht, nicht der Taktik. Ich ruf ihn jetzt an. „Oldschool“, wie wir Community-Nerds sagen würden…


[1] schweigende Mitleser

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Der österreichische Regisseur Stephan Bruckmeier macht Theater dort, wo man es nicht für möglich hält: Mitten in den Slums von Nairobi, rund um die größte Mülldeponie des Landes. Wie das ambitionierte Projekt nicht nur das Leben im Slum, sondern auch sein eigenes nachhaltig verändert, erzählt er im Interview.

Wie bist du überhaupt nach Nairobi gekommen?

Bruckmeier:
Ich habe in Kärntnen im Rahmen des Carinthischen Sommers ein Projekt über bedeutende Kärntner Humanisten gemacht, Menschen, die das Land verlassen haben und im Ausland wirken. Dabei habe ich u.a. den Peter Quendler kennen gelernt, der für die Caritas „Nachbar in Not“ aufgebaut hat, Frauenhäuser in Afghanistan errichtet hat etc. – Kurz: Ein wahnsinnig umtriebiger Mensch. Da entwickelte sich ein Gespräch über das Thema „Wie machen Menschen Kunst in Ländern, wo sie – um es ganz banal zu sagen – nichts zu fressen haben?“ Quendler hat mir von einem Projekt erzählt, dass er unterstützt: Eine 75jährige Ordensschwester, die in Nairobi eine Schule gegründet hat. Es gibt zwei große Slums in Nairobi. Das eine ist Kibera mit ca. einer Million Menschen Einwohnern – das ist im Südwesten der größte zusammenhängende Slum Afrikas. Das andere sind die Nordöstlichen Viertel Korogocho, Kariobangi, Huruma, Madoya und Dandora mit weiteren 500.000 Einwohnern, das Slumgebiet um die große Mülldeponie der Stadt. Diese Ordensschwester hat einen Grund gesucht und am Wasser auf Stelzen eine Schule für 400 Kinder gebaut. Den Grund haben sie ihr billig verkauft, nach dem Motto, dort kann man eh nix hinbauen… Das war das erste Projekt. Mittlerweile wurde bereits die 5. Schule eröffnet – über freie Spenden und über zwei kleine Caritas-Strukturen (Caritas Kärntnen & Südtirol). Sie hat drei Mitarbeiter – zwei für die Buchhaltung und eine Sozialarbeiterin aus Kenia – und zu viert betreuen sie eine Schule mit 100 Lehrern und 1000 Kindern. Diese Kinder könnten sonst in keine Schule gehen. Sie bekommen dort drei Mahlzeiten und versorgen zum Teil auch noch die Familien mit Nahrung. Korogocho hat im Bürgerkrieg traurige Berühmtheit erlangt, weil sie sich dort ungemein niedergemetzelt haben. Aber dieses Projekt hat diesen großen Slum von Grund auf verändert. Das ganze Lebensgefühl ist ein anderes geworden. Es gibt keine bettelnden Kinder mehr, denn die sind alle in den Schulen und haben zu essen. Es entsteht langsam Vertrauen in das Leben.

Aber das erklärt noch nicht, wie es Dich dorthin verschlagen hat…

Ich hab nach dem Gespräch gesagt, gut, ich schau mir das einmal an. Ich bin auf eigene Kosten runtergeflogen und hab mir das angeschaut. Nach einer Woche war mir klar: Entweder ich gehe jetzt und komme nie wieder oder, wenn ich jetzt anfange, etwas zu tun, dann muss das langfristig sein, denn es entsteht sehr schnell ein Vertrauen, das man nicht enttäuschen darf. Ich hab überlegt: Schaffe ich das? Das kostet Zeit, Geld… Aber es ist so, wie wenn man sich fragt: „Will ich ein Kind oder nicht?“ – und dann ist man plötzlich schwanger. Nach zwei Wochen hab ich gewusst: Das ist ab jetzt Teil meines Lebens.
Dann hab ich dort also „Romeo und Julia“ gemacht, in einer sehr adaptierten Version. Ich hab das Stück deshalb genommen, weil das genau die Geschichte des Bürgerkriegs zwischen den ist. Ich wollte aber nicht als Weißer dorthin kommen und jetzt ein Stück über deren Bürgerkrieg machen, denn es ist wahnsinnig wichtig, dass sie selber ihre Geschichte erzählen, dass man da halt hilft und mitarbeitet, ihnen aber nicht die europäische Sichtweise von außen aufoktruiert.

Warum Theater?

Erstens bin ich Theatermacher und das ist einfach mein Metier. Dann arbeite ich seit fast zehn Jahren kontinuierlich mit Jugendlichen. Der Bereich des pädagogischen Theaters ist mir irgendwann sehr wichtig geworden.. Das heißt nicht, dass ich das andere Theater, bei dem es um die subjektive künstlerische Ästhetik und Aussage geht, nicht auch machen will, aber das zusammenarbeiten mit Kindern wird mir immer wichtiger.
Und dann ist es so, dass in Nairobi sehr viele kleine, lokale Initiativen – so wie jetzt auch meine – sehr viel über Theaterformen bewegen: Über Tanz, über Akrobatik, über kleine Szenen, die sie selber schreiben, z.B. über den Kampf gegen Drogen, warum ist es nicht gut Leim zu schnüffeln etc. Theaterarbeit wird also verbunden mit Aufklärung und politischem Diskurs.

Wie alt sind die Darsteller, mit denen du arbeitest?

Zwischen 16 und 23, aber es sind auch Kinder dabei. Bei Romeo & Julia waren 300 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren dabei, mit denen ich Chöre einstudiert habe.

Wenn ich in einen Slum fahre und mich dort umsehe, ist nicht das erste, das mir in den Sinn kommt: Was die hier brauchen, ist Theater…

Nein, aber spätestens das dritte. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Weil man ganz schnell merkt, das Schlimmste ist Mitleid. Das braucht dort kein Mensch. Sie wollen Respekt, sie wollen Dialog und sie wollen gerne, dass man eine Banane kauft – nicht, dass man ihnen Geld schenkt. Das heißt, im Grunde man macht das, was man kann – ich eben Theater – damit Menschen das können, was sie wollen: Geld verdienen und damit die Struktur in diesem Slum verändern.
Da ich nun einmal Theatermacher bin und viele dort das sehr gerne machen wollen, ist es für mich naheliegend genau das zu tun. Die Leute verdienen nicht sehr viel Gage, was halt durch Spenden reinkommt, aber durch das Geld kaufen sie sich etwas zu essen und davon lebt wiederum der Greißler oder die Frau, die vom Feld zehn Melonen holt – und dann hat sie vielleicht am nächsten Tag genug Geld, um 15 Melonen zu holen. Es spielt sich wirklich in diesen kleinen Dimensionen ab, aber es funktioniert. Ich habe das bei all diesen Mikro-Initiativen gesehen: Wo es die gibt, verändert sich das Leben. Nachhaltig.

Die Arbeit findet auf Englisch statt?

Ja. Der durchschnittliche Kenianer kann – im Gegensatz zu uns – drei Sprachen: seine Muttersprache, Suaheli und Englisch. Und zwar so, dass sie in diesen Sprachen auch gut Zeitung lesen können. Das ist auch wichtig, denn die Leute wollen ja wissen, was passiert. Es werden viele (hervorragende) Zeitungen im Slum gelesen – das ist sicher nicht Bild, das man in Europa vom Slumleben hat…

Wie ist denn das Slumleben, jenseits der europäischen Vorstellungen?

Slum ist nicht gleich Slum. Da gibt’s die verhungernden Aidskranken und da gibt’s die, die schon einen kleinen Laden und eine Existenz aufgebaut haben. – das ist alles Slum. Es ist sehr arm, aber es ist nicht alles an der Grenze zum Disaster. Nur wenn man nichts tut, weil die Korruption alles ruiniert, sowohl die lokale, als auch die internationale, dann geht dieser Slum unter… d.h. man muss „düngen“. Sie können ja alles selber, wenn man ihnen nicht immer alles kaputt macht. Das ist das grausliche eigentlich.

Inzwischen arbeitet meine Truppe auch weiter, wenn ich nicht da bin, schreiben sich eigene Szenen über politische Themen, die sie interessieren, über den Post Election War. Wenn sie diese Kurz-Stücke dann auf der Straße spielen, fangen die Leute zu diskutieren an. Da kommen wir wieder ganz nah an die Wurzeln des Theaters. Das interessiert mich sehr, denn mir ist der politische Aspekt des Theaters in meiner Arbeit immer wichtig gewesen. Für mich fließen in Nairobi all diese Aspekte zusammen: Ich gehe dort weder als Gutmensch noch als Heiliger hinunter, ich kümmere mich halt darum, dass dort 35 Jugendliche eine Existenz haben, aber ich lerne selber dabei…

Was genau passiert mit den Spendengeldern?

Von dem Geld, das ich an Spenden bekomme gehen 80% ans Hope Theatre und 20% an Hands of Care and Hope, das ist die Infrastruktur, ich verwende ja das Büro von denen, die Arbeitswohnung in Nairobi etc.

Du selber verdienst nichts?

Nö.

Kannst du dir das leisten?

Nö. [lacht]

Wie viel Geld bräuchte es denn, um euer Projekt am Laufen zu halten?

ca. 800 Euro im Monat. 200, um die Struktur zu erhalten. Der Rest wird aufgeteilt in kleine Gehälter für die Darsteller, so im 10 Euro Bereich, das sind aber dort unten 1000 KES (Kenyan Shillings), das ist in Ordnung. Soll ja auch nicht zuviel sein, um das Gleichgewicht nicht durcheinander zu bringen. Ein bisschen Geld wird verwendet, um das Theater aufzubauen, also dass man sich mal Requisiten kaufen kann oder eine neue Trommel… Wichtig ist, dass kontinuierlich gearbeitet wird, nicht einfach ein Projekt zu machen und dann alles wieder fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Also etwa ein Dauerauftrag über 5 Euro – da geht wirklich etwas weiter. Das ist mir lieber, als einmal ein 100er, denn es ist die Kontinuität der Arbeit, die dadurch gewährleistet wird. Dann hat die Gruppe eine Existenz.

Wie geht’s Dir selber, wenn Du im Slum wohnst?

Ich krieg natürlich Halsschmerzen, denn die Luft ist sehr giftig. Man muss sich vorstellen: Eine Müllhalde einer 4-Millionen-Stadt. So etwas hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen! Die Menschen leben dort vom Müll. Sie machen Recycling und Mülltrennung, das wird dann nach Gewicht bezahlt. Die Ärmsten holen sich dort das Essen, warten bis die LKWs von den Hotels kommen und holen sich dann die Essensreste. Man kennt das aus Südamerika und tw. aus Asien, aber in Afrika ist das eigentlich unüblich…

Und empfindest Du das Theater dort unten auch als Sozialisationsinstanz?

Unbedingt. In so einer Theatergruppe, wie sie sich hier formiert, spielen Nationen miteinander, deren Eltern sich gegenseitig ermordet haben. Und diese Generation macht das gemeinsam zum Thema der Szenen. Die Proben sind offen, immer wieder kommen Leute herein, sehen zu, fangen an, darüber zu reden… wenn das weitergeht, setzt das einen kontinuierlichen Umdenkprozess in Gang. Kurz: Es wird ungemein viel diskutiert und dann auch weitererzählt, das bildet natürlich – neben dem schönen Erlebnis, Theater zu machen. Wir arbeiten mit hoch engagierten Leuten. Und es hat sich auch im Bürgerkrieg gezeigt: In Orten, in denen es viele Initiativen gibt, fangen die Leute an, nachzudenken und zu reden. Da findet ein derart blindes Gemetzel auch nicht statt. Das ist das Wichtigste, das man erreichen kann: Dass die Leute sich ein Bild machen können. Welches Bild sie sich machen, sollen sie selber entscheiden, aber durch Bildung, durch Initiativen erwerben sie die Fähigkeiten, sich eines zu machen…
Damit kein Missverständnis entsteht: Es geht ja gar nicht darum, hier die neuen Stars des Nationaltheaters auszubilden. Ein kleines Mädchen hat mir zum Bespiel gesagt, sie macht deshalb gerne Theater, weil sie da Englisch üben kann. und das braucht sie, wenn sie Richterin werden will…

Was war denn der berührendste Moment, den Du erlebt hast?

Das war als diese Kinder, die eigentlich Hände nur vom Prügeln kennen und davon, sich aus dem Müll das essen zu suchen, da oben auf der Bühne gestanden sind und Applaus bekommen haben. Was in diesen Gesichtern vorgegangen ist, kann man sich überhaupt nicht vorstellen…
8-10jährige Kinder, zum teil Vollwaisen, bei denen die Lehrer darauf achten müssen, dass sie vom älteren Bruder nicht auf den strich geschickt werden… und dann stehen die da oben und kriegen Applaus. Das war ein Wahnsinn. Allein dieser „Lebenswert“, der entsteht: Dass Menschen merken, es gibt andere, die finden toll, was sie machen. Das gibt nicht nur Selbstwertgefühl, das gibt auch „Vision“ – ein Ziel für die Zukunft…
Da entsteht etwas, das sehr mächtig ist: 1000 Kinder, die in diesem Umfeld aufwachsen, 1000 Kinder im Bezirk, die (wahrscheinlich) nicht drogensüchtig und mit 14 tot sind, sondern die sagen „Mein Leben hat eine Zukunft!“ – Das ist eine Energie, die noch viel bewegen wird.

Website: Hope Theatre

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