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Weichei

Countdown-Woche 36: Nicole will Marathon laufen, aber ein guter Vorsatz macht noch lange keine Superheldin. Wenn da bloß nicht diese Blase wäre… [geschrieben für typischich.at]

Waldniel ist ein unscheinbarer Punkt auf der Deutschlandkarte. Wenn Sie in der Wikipedia danach suchen, finden Sie den Ort gar nicht – bloß eine Umleitung auf Schwalmtal am Niederrhein. Nebbich! Mich aber befällt beim Gedanken an Waldniel eine Art ehrfurchtsvolles Schaudern, denn am 28. Oktober 1973 fiel dort der Startschuss für den ersten rein weiblich besetzten Marathon der Welt.

Es galt, die Thesen eines gewissen Dr. Ernst van Aaken zu beweisen. Der Doc war dem Lauffieber verfallen und das Ewig-Weibliche zog ihn hinan wie dereinst Landsmann Goethe. Van Aaken war sicher: Frauen sind die besseren Langstreckenläufer. Ihre Körper sind auf das Ertragen langanhaltender Schmerzen programmiert (Stichwort: Geburt); außerdem haben sie mehr Fettreserven, auf die zwecks Energiegewinn zurückgegriffen werden kann.

Van Aaken. Der war medizinische Avantgarde. Ein Revoluzzer gegen den Mainstream seiner chauvinistischen Zunft. Aber er kannte mich nicht.

Ich habe zwei Geburten hinter mir; das heißt noch lange nicht, dass ich diese monströse Blase auf der Fußsohle einfach so wegstecke. Meine Toleranz für langanhaltende Schmerzen konvergiert gegen Null. Kurz: Ich bin ein Weichei. Fettreseven hab ich zwar zum Saufüttern, aber dass mir daraus energetische Flügel erwüchsen, wär mir neu…

So humpel ich also auf der Blase durch die Hauptallee und tue, was wir Wiener – Männlein wie Weiblein gleichermaßen – am besten können: Langstrecken-Sudern. 42, 195 Kilometer? Das kann ja heiter werden…

Egal. Weiterlaufen. Waldniel on my mind.

1979 – nur wenige Jahre nach dem Pionier-Event – gab es dort den ersten Internationalen Frauen-Marathon Europas. Länder ließen sich durch ihre jeweiligen Top-Athletinnen repräsentieren. Oder was davon halt gerade verfügbar war. Die Elfenbeinküste etwa, schickte eine 200-Meter-Sprinterin (!). Barfuß.

Mein Blick wandert nach unten zu meinen bequem ausgelatschten Nikes. Schau an. Mir ist plötzlich gar nicht mehr nach Sudern zumute! :)

P.S. Mein Trainings-Tagebuch führe ich auf typischich.at – Jeden Mittwoch. Begleiten Sie mich!

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Circle Training

Ene, mene, mu und raus bist du. Oder rein. Google schenkt uns Kreise für Fetzenschädel und Wichtigmacher, für Exilkubaner, Ex-Lover und Waschbrettmänner. Damit kommt endlich Ordnung ins Sozialleben! [Kolumne für den WIENER 360]

„Bist du schon drin?“ ist nicht nur die schale Pointe des wohl ältesten Dirty Jokes, es war auch die am häufigsten gestellte Frage der letzten Wochen. Jedenfalls im Webiversum. „Drin“ bezeichnete in diesem Fall google+, die – will man den Statistiken der ersten Wochen Glauben schenken – eierlegende Wollmilchsau unter den sozialen Netzwerken: Facebook made by Google. Nur besser, weil … naja, weil halt Google.

„Drin“ – das ist man bei google+ relativ schnell, aber auch wer „drin“ ist, ist evtl. immer noch draußen. Denn Google hat das Kastensystem ins Online-Zeitalter herübergerettet und eine Struktur geschaffen, die es erlaubt, Menschen nach gewissen Merkmalen zu sortieren: In sogenannte Circles. Kurz: Schubladendenken 2.0. Nicht jeder ist in jedem erlauchten Kreis willkommen; sollte etwa Medwedew einen „Inner Circle“ anlegen, sind Sie da garantiert auch nicht drin…

In Anlehnung an Groucho Marx kann man all das recht locker sehen: „Ich möchte gar nicht Mitglied in einem Kreis sein, der mich als Mitglied haben will.“ Man kann es auch von der praktischen Seite betrachten: Dass berufliche Kontakte nicht mit privaten in einen Topf zu werfen sind, dass man mit der Tante Erni andere Informationen teilt als mit seinen Saufkumpanen, ist ein Manko, das an Facebook schon lange bemängelt wurde. Zu recht erfreut sich die Selbsthilfegruppe „Hilfe, meine Mama ist auf Facebook“ regen Zulaufs. (Kein Schmäh. Die gibt’s.) Eben hier setzt Google an. Erfordert mitdenken, erspart dafür massig Unannehmlichkeiten.

Außerdem: Spaß ohne Ende. Erwähnte ich das schon? Ja, ja. Pubertären, kleinmütigen Ätschi-Bätsch-Spaß. So what? Die Mit-User sehen nämlich nicht, wo sie „eingekreist“ werden. – „Wenn Ihr wüsstet, in was für dämlich benamte Circles ich Euch reinsortiere“, provoziert Sascha Lobo, punkköpfige Salome Pockerl der Webszene, „Ich habe einen Circle namens Deppen, einen Möchtegern-Wannabes, Politclowns, Internet fixierte und einen ,Schon bei Facebook nervig‘-Circle“.

Das bleibt nicht ungestraft. Lobo wird prompt selbst einsortiert. Unter Seltsame Frisuren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass google+ ein wunderbares Sozialexperiment ist. Das Bewusstsein, sich bei Bedarf in seinen engsten Kreis zurückziehen zu können, macht das mit einem Mal gar nicht mehr so notwendig. Da herrscht ein kindlicher Pionier- und Aufbruchsgeist – und die neue (Wahl-)Freiheit treibt schräge Blüten: „Kann ich bitte in den Pupst-abendsimmer- Bolero-von-Ravel-Circle?“, fragt eine Userin. Das ist gaga und doch immer wieder erstaunlich realitätsnah, wie der grüne Landtagsabgeordnete Michel Reimon beweist: „Ich habe alle Grünen in einen Arbeitskreis gesteckt.“ Kinder, wir werden noch viel Spaß haben!

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Vienna Calling

Jeder Mensch hat einen Traum. Meiner misst 42 Kilometer. [geschrieben für typischich.at]

Karten auf den Tisch: Im März werde ich 40. So ganz unter Lercherlschas lässt sich das nicht ablegen. Jene, die die magische Vier-Jahrzehnt-Grenze bereits passiert haben, lächeln mitleidig. Sie wissen: It’s no big deal. Aber wir Sub-Forties, die wir uns noch mit Klauen und Zähnen an unseren Thirty-Something-Status klammern, machen uns halt ein Wengerl an…

Apropos Zähne. Ich hab da so eine Liste mit „vor dem 40er zu erledigenden Angelegenheiten“. Wenn niemand zuhört, nenn ich sie liebevoll meine Bucket List. Ganz klar: Verbale Überreaktion einer Hysterikerin. (Aber denken Sie an John Lennon. Man weiß ja nie.)

So sieht sie aus:

  • Gerade Zähne haben
  • Einen akademischen Grad erlangen (und sei er noch so pofelig)
  • Eine bessere Autofahrerin werden (ich habe diesen rosa Lappen, aber er kommt bei mir seit 20 Jahren nicht zum Einsatz. Das muss sich ändern. Zwecks Souveränität und so.)
  • Eine Märchenhochzeit mit Mr. Right
  • Einen Marathon laufen. Aber nicht irgendeinen. Berlin etwa – das kann ja jede. Wenn schon, dann den VCM.

Nun hab ich – zugegeben – diese Liste erst vor zwei Jahren erstellt, hatte also nicht seit Menschengedenken Zeit, an der Umsetzung zu wirken. Die Zwischenbilanz ist dennoch ganz brauchbar:

„In ein paar Monaten kommt Ihre Zahnspange raus“, sagt die Kieferorthopädin. Sie sagt diesen Satz, mantra-gleich, seit ein paar Jahren(!), aber der Bucket List zuliebe, will ich ihr diesmal Glauben schenken.

Auf den bakk.phil fehlen mir noch zwei Prüfungen. Das sollte im Herbst erledigt sein. Pofeliger Titel, nach dem keine Hähnin kräht? You bet! Aber mehr war ja nicht verlangt. :)

Ab Herbst reduziert sich somit die heilige Dreifaltigkeit M-A-S (Mutter-Arbeit-Studium) um den Faktor „S“ und kann durch den Faktor „F“ (Fahrstunden) ergänzt werden. Eat your heart out, Bucket List! Das geht sich aus!

Viertens also: Märchenhochzeit. Ähem. Naja. Themenwechsel.

Bleibt also noch der VCM. Den lauf ich am 15. April. Und wer jetzt mitrechnet und sagt: „Gilt nicht, das ist erst nach dem Schlüpftag“ — also jetzt seid mal nicht so! „Mit 40“ ist mindestens so gut wie „Bis zum 40er“. Basta.

Das große Ziel heißt also: Reichsbrücke bis Heldenplatz. 42,195 km. 37 Wochen Zeit, das Upgrade vom Modell „Semi-Couchpotatoe“ auf das Modell „Marathon-Nicole“ zu vollziehen. Starting here, starting now.

Mein Trainings-Tagebuch führe ich auf typischich.at – Jeden Mittwoch. Begleiten Sie mich!

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Knete

Virtuelles Geld hat zu einem virtuellen „Black Friday“ geführt. Die virtuelle Börse steht Kopf, die virtuelle Inflation scheint unaufhaltbar. Wie schön, dass mir das wurscht ist. [Kolumne für den WIENER 359]

„Ignorance is bliss“ sagen die Engländer und bringen damit recht gut zum Ausdruck, wie ich mich fühle: Ich weiß, dass ich nichts weiß und ich genieße das ohne Ende. Ich kenn mich ja in Finanzdingen nicht aus. Ich spekuliere nicht an der Börse. Ok, ich mache meine Umsatzsteuererklärung selber, weil 20% ausrechnen krieg ich grad noch hin. Aber damit hat sich’s auch schon. Jede weitere Transaktion treibt mir Schweißperlen auf die Stirne. Da häng ich lieber im Internet ab, wo‘s bekanntlich anarchisch-wildwuchernde Gratiskultur gibt. (Das hab ich zumindest im Handelsblatt gelesen, wird dann wohl stimmen.)

Aber plötzlich ging die Währung online: Bitcoins. Ein virtuelles Zahlsystem, der neue heiße Scheiß, jeder tuschelt hinter vorgehaltener Hand, jeder muss sie haben, weil, he, wir Web-AktivistInnen haben bereits die Demokratie, die Musikindustrie und – via Anonymous – auch die (Selbst-)Justiz supergummigut verbessert. Jetzt ist der Finanzmarkt dran!

Ist ja auch wirklich sexy: Eine virtuelle Währung, die sich jeglicher Kontrolle durch nationale und internationale Instanzen entzieht. Aber nicht wie man das aus „Second Life“ kennt, wo virtuelle Linden Dollar gegen virtuelle Produkte getauscht werden, sondern weltweit akzeptiert beim Drogen- und Waffenhändler Ihres Vertrauens. Damit kann man richtig was anfangen.

Bitcoins (kurz: BTC) sind fälschungssicher, sie werden via Peer-to-Peer-Technologie verteilt, sie sind anonym wie Bargeld. Einmal erstanden, lassen sich ihre Bewegungen am Markt nicht zum Käufer zurückverfolgen. Außerdem: Seit zahlreiche Medien Bitcoins als das „gefährlichste Open Source Projekt aller Zeiten“ betitelt haben, als Bedrohung für Regierungen und Volkswirtschaften, war der Run auf die Binär-Gulden nicht mehr zu stoppen. Ein kleiner Goldrausch ließ im Mai 2011 den Kurs derart in die Höhe schnellen, dass sogar ich gedacht hab: Na? Vielleicht ein paar kaufen als Pensionsvorsorge?

Hab ich aber nicht. Viel zu faul für so was. Schweißperlen, wie gesagt.
Mein Kokain heißt Red Bull. Ich kauf’s im Sechser-Pack beim Zielpunkt. Da muss ich keine Gehirnzellen und keinen Festplattenplatz investieren.

Und dann vermeldete die Bitcoin-Börse Mt. Gox eine Sicherheitslücke; Passwörter und Usernamen von 60.000 BTC-Spekulanten wären unabsichtlich „geleakt“. Man kennt das ja von Sony. Aber im Geldbörsel will man’s noch weniger haben. Fazit: Die Auswirkungen auf den Kurs waren ähnlich desaströs wie Dauerregen für den Umsatz des Stadionbads.

In das geh ich jetzt übrigens. Mit meiner Red Bull Dose. Und lass mir jenen Körperteil bräunen, an dem mir all diese Dinge vorbeigehen. Ignorance is bliss.

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Social Google

Apple wäre gerne Amazon. Facebook wäre gerne Google. Und Google wäre gerne Facebook. – Drei Riesen, drei Wünsche. Einer davon geht gerade in Erfüllung. [geschrieben für den WIENER 359]

Wenn Google scheitert, dann auf hohem Niveau. Mehr noch: Sie profitieren stets davon. Den Überresten von Google Wave verdanken wir erweiterte Funktionen für Google Docs – und den frühen Gehversuchen mit Google Buzz ist google+ geschuldet: Googles jüngster Vorstoß in das lukrative Terrain sozialer Netzwerke.

Ob google+ dem Hype gerecht wird? Ob es mehr ist, als die hippe Sau, die rasch durchs digitale Dorf gejagt wird? Ist es gar der „Facebook-Killer“? Wir waren neugierig und haben das neue Spielzeug getestet.

Beim ersten Blick präsentiert sich google+ angenehm leer. Und damit sind nicht mangelnde User gemeint, sondern ein schön aufgeräumtes, schlichtes Design, der google’schen Unaufdringlichkeits-Doktrin folgend. Im Gegensatz zu Facebook, wo man seine persönlichen Einstellungen erst mühsam suchen muss, ist bei google+ alles klar strukturiert: Auf einer Liste kann ich meine Vorlieben anklicken, wie viel ich preisgeben, wie oft ich Spam (vulgo Benachrichtigungen) toleriere. Fazit: niederschwellig und übersichtlich. Wir verteilen ein erstes Plus an google+.

Ein zweites gibt es dafür, dass man innerhalb des Netzwerkes keine persönlichen Mails schicken kann: Facebook-User sind das zwar nicht gewohnt, aber als „Plusser“ ist das unnötig, man hat ja die normale Gmail-Inbox. Also raus mit dem überflüssigen Klumpat! Danke, Google.

Danke auch dafür, dass User all ihre Daten jederzeit downloaden können, bequem als Zip-File. Ein Klick genügt.

Hiermit scheint die Usability des Angebots vorerst zu enden, denn jetzt wird’s kompliziert: Statt wie bei Facebook alle Kontakte in einen Topf zu werfen, bietet Google an, sie in „Circles“ zu sortieren: Extra Kategorien für enge Freunde, Arbeitskollegen, wahnsinnige Stalker etc.
In Folge kann bei jeder Statusmeldung gewählt werden, welcher dieser Kreise, meine Information zu Gesicht bekommt. Das ist sinnvoll, man will vielleicht in privatem Rahmen über die Arbeit stänkern – das müssen nicht alle Kollegen lesen. Es erfordert aber Mitdenken – und ein hohes Maß an sozialem Bewusstsein bei jeder einzelnen Interaktion. Was google+ ist, wird abhängig vom Gebrauch: Mache ich alle meine Meldungen öffentlich à la Twitter? Schränke ich sie teilweise ein à la Facebook? Oder wende ich mich ausschließlich an einen sehr kleinen Kreis – etwa innerhalb einer Projektgruppe? Mit der Wahlmöglichkeit (gut!), steigt die Verwirrmöglichkeit (schlecht!). Fazit: Gewöhnungssache.

Bleibt die Frage, ob das ausreicht, um google+ zum Facebook-Killer zu machen. Nun, so schnell wird’s nicht gehen. Die Speerspitze der Webbies ist begeistert, aber Herr und Frau Durchschnittsuser haben es sich auf Facebook bequem eingerichtet mitsamt ihrem sozialen Umfeld – warum sollten sie wechseln? Zuckerberg wird wohl noch eine Weile ruhig schlafen. Wer sich aber fürchten muss, ist Skype. Gerade von Microsoft erworben – das hat bereits viele User vor den Kopf gestoßen – und nun mit echter Konkurrenz konfrontiert. Denn, was google+ unter dem unscheinbaren Namen „Hangout“ versteckt, ist das wahre Killer-Feature des Systems: Ein Gruppen-Videochat, der Vergleichbares alt aussehen lässt.

Fazit: Gut möglich, dass sich google+ nicht durchsetzt. Aber es hat gute Chancen. Und: Wenn Google scheitert, dann auf hohen Niveau. Social Google – in welcher Inkarnation auch immer – ist mit Sicherheit here to stay.

Randall Munroe /xkcd.com

3 Top-Features:

  • SPARKS: Eine Art Feed-Reader für Interessen. Google filtert aus dem Netz Dinge, die mir gefallen könnten. Wer Radfahren, Rezepte oder Batman angibt, bekommt die entsprechende Auswahl frei Haus geliefert.
  • HANGOUTS: Killer-Feature. Die Live-Videochat-Funktion von google+, zu der man seine „Circles“ oder einzelne Personen einladen kann. Bis zu zehn Personen sind gleichzeitig möglich.
  • HUDDLE: Funktion fürs Smartphone: Gruppenkonversationen via SMS, begrenzt auf die ausgewählten „Circles“,z.B. für Terminkoordinationen.

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