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Die Genies von heute basteln im Keller an der Welt von morgen. Ein Lokalaugenschein im Metalab, wo die junge Innovationselite ihre Heimat gefunden hat. [Erschienen im WIENER 340]

Wenn der Geschirrspülerknopf abbricht, ist Schluss mit lustig. Im besten Fall heißt das, einen Ersatz bei der Firma bestellen (wird dann nach zwei Monaten überteuert geliefert), im schlechtesten Fall muss gleich ein neues Gerät her.

Oder man geht ins Metalab. In dem Souterrainlokal in der Wiener Rathausstraße sitzt praktisch alles, was Österreich an Innovationselite zu bieten hat: Hacker, Künstler, Maschinenbauer, Hardcore-Programmierer, Chemiker, Elektronikfreaks. Problemlösen ist hier Alltag. Und ein Geschirrspülerknopf stellt keine besondere Herausforderung dar: Kommt eben der RepRap zum Einsatz! Der „replicating rapid prototyper“ ist ein 3-D-Drucker, der Werkstücke aus Kunststoff druckt. Also einfach am Computer zeichnen und in Nullkommanix kann der fertiggedruckte Ersatzknopf mit nach Hause genommen werden – eine sehr beliebte Prozedur für all jene Dinge, die nur zu gerne verloren gehen: Blitzabdeckungen für Kameras beispielsweise. Oder diese kleinen, dünnen Stifte für PDAs…

Natürlich haben sie ihn selber gebaut, den RepRap. Im Metalab stehen derzeit zwei davon zur freien Verfügung. Gleich neben einem Lasercutter, der auch Spaceinvader-Bildchen in Toastbrot ritzen kann – sofern er nicht gerade wirklich für etwas gebraucht wird. Werkzeug und Wissen – das sind die Eckpfeiler des Metalabs. Beides gibt es hier im Überfluss und in unterschiedlicher Ausprägung. Nicht umsonst nennt man sich etwas sperrig „Verein zur Förderung der Erforschung und Bildung sozialer und technischer Innovationen“. „Wenn du eine Frage hast, dann ruf sie einfach in den Raum“, sagt Markus Hametner (a.k.a. Fin), Metalabber der ersten Stunde. „Du wirst mindestens zwei brauchbare Lösungsansätze bekommen – und da sich hier Menschen aus den verschiedensten technischen Disziplinen versammeln, können diese Lösungsansätze entsprechend vielseitig ausfallen.“

Wer an einem Projekt arbeitet, kommt in den Keller – weil er die Infrastruktur nützen will (von Bibliothek bis Fotolabor), weil er Partner sucht oder den interdisziplinären Input. Gemeinsam tüftelt es sich eben besser. Angst vor Ideenklau kennt man hier nicht. Wer im Metalab sesshaft wird, ist Mitte 20 und in einer Open Source Kultur groß geworden. Schnittstellen sind offen, Ideen dazu da, geteilt zu werden. Das Urheberrecht ist Spleen einer Generation, der man nicht angehört.

Knapp 200 Quadratmeter misst der Raum, der den Nährboden für Innovationen made in Austria bietet. Flair einer Studenten-WG: Keiner will fürs Putzen zuständig sein, aber alle sind sehr chillig drauf. Irgendwer hat „Schaas mit Quastln“ an die Wand geschrieben. „Du musst schneller löten“, ermahnt eine Tafel säumige Bastler. Ester Schneeweisz (a.k.a. Astera) kommt herein und nimmt sich erst mal einen Kaffee. Sie studiert Industrial Design an der Angewandten – tatsächlich, Frauen gibt es hier auch, sind aber nicht sehr viele…

Was das Metalab hervorgebracht hat, ist so unterschiedlich wie seine Mitglieder. Internet-Startups à la Soup (www.soup.io) oder das Essensbestellservice Mjam wurden hier ebenso erfunden wie eine Installation mit Laser-Graffiti im Museumsquartier. Man beschäftigt sich mit Software-Entwicklung, elektronischer Musik und allen möglichen fliegenden und blinkenden Gadgets. „Es sind auch schon ziemlich viele Roboter bei uns herumgelaufen“, erinnert sich Christian Benke (a.k.a. Benko). Nicht alle Projekte haben praktischen Nutzen. Aber eine alte Telefonzelle zu hacken und Internettelefonie-tauglich zu machen, das hat was. Kommerziell verwertbar? Nein. Aber lernen kann man daraus. Und Lernen, Ausprobieren, Dinge auf die Beine stellen – das ist der Stoff, aus dem Netzkultur gewebt wird. Es ist die Existenzgrundlage von Hackerspaces.

„Hacker“, so definiert Fin, „das sind Leute, die wissen wollen, wie Dinge funktionieren. Leute, die Dinge zerlegen; Dinge einfach einmal anders verwenden als sie ursprünglich gedacht waren.“ Den Raum dafür bieten weltweit angesiedelte Hackerspaces. Das Metalab ist nur einer davon, Teil eines internationalen Netzwerkes (www.hackerspaces.org) für jene, die nicht nur über Dinge reden, sondern sie auch physisch tun wollen. „Hacken statt slacken“, sagt Benko, „es ist uns schon wichtig, dass die Leute zum Arbeiten herkommen und das Ganze nicht als ihr verlängertes Wohnzimmer betrachten.“ Aber ab und zu Party ist erlaubt. Curry-Kochen und Cocktail-Mixen gehört zum Metalab-Alltag. Ein Wuzzler ist fixer Bestandteil der Ausstattung: Auch Genies brauchen Pause. Tut nämlich einfach gut, mit Gleichgesinnten abzuhängen, wenn die Welt draußen nicht rasend viel Verständnis für Geeks aufbringt. Dann geht’s eh wieder weiter mit Vorträgen, Workshops und Konzepten. Kosten: Null (maximal das Material). Wer zuhören will, ist willkommen.

Abseits der organisierten Veranstaltungen sind die Öffnungszeiten übrigens bedarfsabhängig. Fin: „Es gibt 40 Mitglieder mit Schlüsseln. Immer wenn einer von denen da ist, ist das Metalab offen.“

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