Manfred Bruckner, Wissensmanager, Inhouse GmbH der Wirtschaftskammern Österreich
Ingrid Brodnig, Journalistin/Falter
Thomas Thurner, Quartier für digitale Kultur
musste sich zwischen realitätsfremden Leitartiklern, angeblichen Basisdemokratlern und auch sonst allerlei denkwürdigen Meinungen entscheiden.
Letztlich ging die wenig begehrte Trophäe an die Wiener Grünen „für ihre missglückte politische Kommunikation im Netz und das Verpassen einer einmaligen Chance“ und Christoph Chorherr besaß ausreichend Größe und Selbstironie, die kreischbunte Scheußlichkeit (sorry, monochrom!) auch tatsächlich entgegen zu nehmen.
Dass die Jury-Entscheidung gerecht, nein, eine zwingende Notwendigkeit war, steht für mich außer Frage. Jeder, der/die in den vergangenen Monaten die Vorwahl-Diskussion (bzw. die mangelnde Bereitschaft zu einer solchen) miterlebt hat, wird das begrüßen. Wer darüber hinaus noch eine Begründung braucht, kann bei Max Kossatz jene der Jury nachlesen.
Aber es zahlt sich auch aus, einen Blick auf die Nominierungsliste zu werfen, auf jene Anwerter des #wolo09, die gerade noch einmal Glück hatten. Zum Beispiel die Theaterproduktion „Menschmaschine“, mit der am 1. September 2009 die Saison im Rabenhof eröffnet wurde.
Gröbchens Brainchild. Ein „bunter Abend 2.0“ hätte das werden sollen. Ich war dort. Ich weiß noch genau, wie schlecht es war. Und sollte ich es je vergessen, so kann ich es in meinen eigenen verzweifelten Tweets nachlesen. Es war – da gibt es nichts zu beschönigen – ein epischer „facepalm moment“ – vereinzelte Highlights ausgenommen: Forcher etwa. Der ist ja immer eines. Und seine Filmeinspielungen haben den Preis der Eintrittskarte gerechtfertigt. (Abgesehen davon, dass ich nichts bezahlen musste…)
Dann war da noch die Skype-Lifeschaltung in die Ukraine, wo Los Colorados für das Rabenhofpublikum aufgeigten. (Dringende Youtube Empfehlung!) Aber wie gesagt: Die Highlights waren rar, das krampfige Gefühl in der Magengegend omnipräsent.
Aber: Nominiert für den #wolo09?
„3. Nominierung: der Bühnenabend „Menschmaschine“ im Rabenhof in der Kategorie fehlgeleitetes Infotainment für die Leistung, das Web 2.0 auf die Formel „Beidlwitze“ zu reduzieren.“
Kann ich nicht nachvollziehen. Finde ich auch nicht gerecht.
Beidelwitze hin oder her. Die Menschmaschine war ein Versuch. Kein geglückter, aber immerhin ein ambitionierter und – ich denke für die Beteiligten auf beiden Seiten der Rampe ein sehr lehrreicher, der nach Abklingen des Protestgezwitschers auch viel Reflexion nach sich gezogen hat. Wäre dem nicht so, so sei den Menschmaschinlern der #wolo09 von Herzen vergönnt.
Aber das Web nährt sich von lebendigem Beta. Vom Auf-die-Nase-fallen und noch einmal versuchen. Gerade die #wolo09-Jury müsste das wissen und honorieren.
„Sagen wir so: der Ausgangspunkt (ev. ein Nullpunkt) ist gegeben, ab sofort wird die Maschine mit Inhalten, Feedback, Kritik gefüttert, um sich von der Stelle zu bewegen. Wenn nicht, darf man sie in wenigen Monaten getrost als Fehlkonstruktion bezeichnen.“
schrieb Gröbchen noch am selben Abend auf Facebook (beschloss infolge aber dennoch, „bußfertig zur neunschwänzigen Katze“ zu greifen)
Und Michel Reimon, pointiert wie von ihm zu erwarten, quittierte:
Kasteiung ist gar nicht angebracht – wenn irgendein Publikum damit umgehen kann, dass der erste Wurf noch nicht perfekt war, dann ja wohl die Nerds.
Also: patchen. nochmal machen. patchen. nochmal machen. patchen…
Und Gratulation dazu, dass du es überhaupt angepackt hast. Das muss auch mal gesagt werden.
Und? Können die Nerds damit umgehen? Ja oder nein? Wie ist es bestellt um die hochgelobte Ambiguitätstoleranz?
Beim #wolo09 hat sich eine Jury voller Nerds von ein paar lauen Beidelwitzen den Blick auf die Grundsätze der eigenen Netzkultur verdecken lassen. Eine Jury, die es echt besser könnte (und das in den anderen Nominierungen ja auch eindeutig bewiesen hat)
Dafür hätte sie fast einen #wolo verdient… Gibt’s schon Einreichungen für nächstes Jahr?
Weihnachten rückt bedrohlich näher und mit einer Invasion der Kikis ist jeden Moment zu rechnen. Spätestens, wenn es um die Adventkalenderschokolade geht.
Dass Kinder in einem gewissen Alter imaginäre Freunde haben, ist hinlänglich bekannt. Ist ja was Nettes.
Zugegeben, so einen Karlsson hätte man nicht gerne am eigenen Dach, geschweige denn im Wohnzimmer, aber wenn der Nachwuchs in den Apfelbaum klettert, um dort mit der imaginären Omama nicht minder imaginäre Zuckerwatte zu futtern, ist das sinnstiftend und kariesfrei.
Zudem eine gute Vorbereitung auf spätere Szenarios. Mich trägt schließlich auch noch mein imaginärer Vorgesetzer durch die grauen Montage, um mir mit seinen schier unfassbaren Gehaltserhöhungen und Boni-Zahlungen das freiberufliche Leben zu versüßen …
Aber #Kind1 wäre nicht #Kind1, wenn bei ihr nicht alles ein bißchen anders gelagert wäre.
Sie hat keine imaginäre Freundin. Sie hat die Kikis. Wieviele Kikis es gibt, schwankt. Mindestens eine Handvoll. Meistens jedoch – nach eigenen Angaben – irgendwas zwischen „Hunderte“ und „Millionen“. Es gibt Kikis in vielen Altersstufen und Größen. Bei den ganz kleinen, muss man aufpassen, dass man nicht drauftritt, denn das wäre fatal.
Es gibt Schulkind-Kikis und Kindergarten-Kikis. Ob es auch Vorgesetze-Kikis gibt, hab ich noch nicht herausgefunden.
Als wir in Giechenland auf Urlaub waren, sind die Kikis dort geblieben, weil es ihnen so gut gefallen hat. Monatelang war Ruhe. Unsere Wohnung war Kiki-freie Zone, nicht mal eine Postkarte haben sie geschickt, was ich verstehen kann, denn wie sollen Millionen Unterschriften auf ein 90-mal-140mm-Bilderl der Ägäis passen?
Dann irgendwann die Ankündigung aus heiterem Himmel: „Die Kikis kommen jetzt bald zurück“. Für die Ankunft der Kikis wurden im Kinderzimmer geheime Vorbereitungen getroffen. Auf meine diversen Fragen, wann denn mit den Kikis zu rechnen wäre, gab es kryptische Antworten. „Nicht bald, aber gleich“, hieß es. Und am nächsten Tag „Nicht gleich, aber bald!“.
Es lag ein gewisses Surren in der Luft. Soviel war klar.
Die tatsächliche Ankunft der Kikis hab ich dann glatt verpennt. Aber wenn sie da sind, kann man sie schlicht nicht – äh, fast hätt ich geschrieben: „übersehen“. Naja, Sie wissen schon.
Zu massiven Einbußen an Nervenfasern und Lebenszeit führen sie etwa, wenn man es eilig hat. Sprich: immer.
„Niiiiicht die Aufzugstür zumachen“, schreit #Kind1 entsetzt, „Es sind noch nicht alle Kikis draußen!“
Wir wollen ja keinen einklemmen, also warten wir gefühlte 20 Minuten, bis sich auch der/die/das letzte Kiki bequemt, den Aufzug zu verlassen. (Nö, wir sind nicht rasend beliebt bei anderen Aufzugnutzern …)
Seit #Kind1 älter ist, hat sich die Kikirei etwas gelegt und #Kind2 ist bislang noch nicht auf die Idee gekommen. *auf Holz klopf*
Wie das Amen im Weihnachtsgebet ist aber davon auszugehen, dass die Kikis in der Adventszeit zur Tür hereinspazieren und es dann sehr ungerecht wäre, wenn nicht jedes Kiki einen eigenen Adventkalender hätte. Und natürlich wollen sie alle ihre imaginären Kikischuhe zum Fenster stellen, um eine sowas von überhaupt nicht imaginäre Nikoloschokolade hineinzubekommen.
Ich mag sie, die Kikis. Sie sind gewitzt und nicht ohne eine gewisse Raffinesse. Aber ich werde dieses Jahr nicht einen Sicherheitsvorrat an Vanillekipferln für etwaige Kikibesuche anlegen. Ich habe ungeahnt fiese Verbündete: Die H1N1-Fantasien, die #Kind1 aus der Schule mitgebracht hat. Ich will gar nicht erst anfangen, mich über diese unverschämte Panikmache und über das Instrumentalisieren von Kindern für die Pharmaindustrie etc. auszulassen. Ich lasse diesmal den gerechten Mutterzorn außen vor, denn ich weiß insgeheim, dass die Kikis zur Weihnachtszeit alle nur Kamillentee trinken werden. „Hunderte oder wenigstens Millionen“ Liter davon. Ist ja so ansteckend, dieses Schweinezeugs und Kamillentee ist das Tamiflu aus Omamas Apfelbaum. Natürlich darf man auch nicht zu laut Detlev Jöcker CDs hören. Das könnte den Genesungsprozess der Kikis empfindlich stören.
Ibrahim „Ibo“ Evsan zählt zu den führenden Köpfen in der Entwicklung von Social Media und Video-on-Demand-Anwendungen. Er ist Gründer der Videoplattform sevenload, dem erfolgreichsten deutschen Start-Up. Sein aktuelles Buch „Der Fixierungscode“ behandelt u.a. die Themen digitale Evolution, Online-Reputation und digitale Supermächte
Sie warnen in Ihrem Buch vor digitalen Supermächten. Wo sehen Sie die Gefahren?
Wir dürfen nie vergessen, dass Google, Facebook etc. einfach Firmen sind, die profitorientiert denken müssen. Diese Firmen bekommen derzeit alles Wissen über die Menschen: Der Stream meines Lebens, mein „Lifestream“, fließt dort ein. Es gibt aber keinerlei global greifende gesetzliche Regelung, wie weit eine solche Firma dabei gehen darf. In Deutschland schon. In Deutschland dürfen wir nicht so ohne weiteres alles abfragen und speichern, aber das Internet ist international. Wenn ich Facebook nutze, habe ich nicht das Gefühl, dass es amerikanisch ist. Auch wenn ich an Google denke, denke ich ja nicht daran, dass das ein groß gewordenes US-Unternehmen ist. Google ist für mich einfach eine Suchmaschine. Aber man sollte wissen, dass jede Abfrage gespeichert wird. Da stellt sich natürlich die Frage, was in der Zukunft im „Semantic Web“ alles machbar wird: Wie kann man das perfekte Profil eines Menschen erstellen, um ihm dann perfekte Werbung zu verkaufen? Ich denke, dass die Datenschützer das in Europa verhindern werden, aber amerikanische Firmen machen da nicht mit. Die sagen: „Na dann sperrt mich doch einfach! Dann gibt es eben kein Google, kein Bing etc. in Österreich.“ Aber das wäre etwa für Österreich eine Katastrophe. Das Land würde zurück in die Zeit vor 1999 versetzt. Wie China.
Es geht ja nicht nur um Werbekunden, auch Dienste wie die CIA haben Interesse an unseren Daten…
Die Amerikaner haben unsere Daten längst. Gleich nach 9/11 hat Bush den Patriot Act durchgesetzt. Den hat zwar niemand richtig gelesen, aber er besagt, dass sich die CIA auf allen Servern der Welt bedienen kann. Das können sie deshalb, weil die Schaltzentralen des Internets alle in Amerika sind, sodass die Amerikaner Zugriff haben auf alle unsere Daten, auf unser Kulturgut, auf die Menschen. Wir Europäer können im Moment nichts dagegen tun, denn wir haben diese Entwicklung verschlafen und nicht rechtzeitig investiert: Das Internet gehört schlicht den USA.
Wir haben also keinerlei Handhabe gegen digitale Supermächte?
Richtig. Wir sitzen in der Scheiße. Deshalb darf Datenschutz nicht länger lokal, sondern muss global betrieben werden! Es braucht einen G8-Gipfel für Datenschutz. Es müssen sich alle Länder beteiligen und ein zentrales Recht herstellen – für Pressefreiheit, für Internetfreiheit, für Datenschutz. Das Internet macht lokale Lösungen unhaltbar. Aber unsere Politiker glauben immer noch, sie können das allein zu Hause regeln.
Zum Beispiel mittels Netzsperren…
Netzsperren sind reine Idiotie von Politikern, die überhaupt keine Ahnung vom Internet haben. Zensur hatten wir in Europa schon und das wollen wir nicht noch einmal erleben. Wenn man Zensur einmal zulässt, dann geht es damit immer weiter, immer tiefer. Was ist dann der nächste Schritt? Ballerspiele? Wir haben sechs Millionen Ballerspieler in Deutschland. Wie viele Seiten sperrt man? Eine oder Zehntausende? Da hätte ich gerne einmal eine Antwort darauf!
Es heißt, der Bürger muss den Staat kontrollieren, nicht umgekehrt. Ist es rechtlich überhaupt vertretbar, dass der Staat unsere Daten sammelt?
Er muss ja! Denn es gibt ein Ungleichgewicht: Die USA tun es längst. Wenn es auch keine Atomkriege mehr gibt, kann es in der Zukunft Informationskriege geben. Hier stellt sich die Frage nach der globalen digitalen Selbstbestimmung. Ein Mensch muss sagen können: „Ich will nicht, dass meine Daten gespeichert werden.“ Das wird ein sehr langer Weg.
[eine gekürzte Version ist im WIENER 341 erschienen]
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass online zu schnell publiziert wird, dass es hier nur so vor Falschmeldungen wimmelt, während es einzig und allein dem klassischen Printjournalismus vorbehalten ist, in all seiner fehlerfreien Erhabenheit zu glänzen. Perfektion vs. Beta eben. Im vorliegenden Fall war’s nicht ganz so. Da hat sich unbemerkt ein Fehler eingeschlichen (also vielleicht waren’s auch mehrere, aber zumindest nur ein auffälliger).
Fazit: Wenn schon überarbeiten, dann gleich ganz. Das ist somit der Director’s Cut der Printversion, jene Version, die ich / wir geschrieben hätte(n), wenn der Platz unendlich und das Zielpublikum voller Web-Junkies wäre… ;)
NEW WAVE. Da ist sie endlich, die eierlegende Wollmilchsau: Google Wave, jüngster Spross aus dem Hause Google, bringt sämtliche Webtools unter einen Hut und schickt die gute alte Email in Pension. Oder doch nicht? Weltweit dürfen derzeit 900.000 Betatester auf der Welle probe-reiten. Drei davon haben es für den WIENER getan.
Das Web macht Spaß, weil wir alles teilen können: Musik, Bilder, Videos, Spiele, Lebensweisheiten, Arbeitskraft, Information und Flamewars. Für jedes eine Nische. Was, aber, wenn ein Tool die Nischen eint – zum ultimativ-kreativen Ganzen? Rock’n Roll!
Mit Google-Wave wollte Google, nach eigenen Angaben, „nur“ die Email neu erfinden. Das war nicht so einfach. Email ist immerhin das am weitesten verbreitete und auch mit Abstand erfolgreichste Tool zur Online-Zusammenarbeit. Glaubt man einer Studie der Harvard Business School, so muss jede Technologie, die sich dereinst anschickt, Email zu ersetzen mindestens neun Mal besser sein als das Original. Nur so ist gewährleistet, dass die Vorteile der Neuerung die Nachteile des Verlustes überwiegen.
Aber die Email ist eine alte Dame. Sie wurde erfunden, noch bevor das World Wide Web in seiner heutigen Form denkbar war. Es gibt sie seit über 40 Jahren und ebenso lang hat sich die Technologie dahinter de facto nicht verändert. Richtig gelesen: Wir leben in einer Onlinewelt, in der jede Minute neue Applikationen programmiert werden. Aber ausgerechnet die Anwendung, die wir am häufigsten nutzen, basiert auf 40 Jahre alter Technik und Konzepten.
Die vergangenen 40 Jahre haben uns Mobiltelefonie und SMS beschert, Menschen plaudern mittels Instant Messaging Chat Programmen, twittern sich 140 Zeichen zu, stellen Videos auf Youtube und editieren in Wikis wie z.B. der bekannten Wikipedia. Sie finden sich in Onlineforen und haben ihre Urlaubsfotos nicht mehr in Schuhschachteln, sondern auf Flickr.
Wurde also schön langsam Zeit, dass sich jemand die Frage stellte: Wie würde Email aussehen, wenn man sie heute erfinden würde?
„Natürlich gibt es Millionen Antworten auf diese Frage“, meint Lars Rasmussen, Produktentwickler bei Google, „Aber Google Wave ist unsere.“
Ob diese Antwort den Ansprüchen der „9 mal besser“-Regel gerecht wird? Das sind wir gerade dabei, in unser eigenen kleinen Wave herauszufinden.
Nicole: Der Leyrer bessert ständig meine Rechtschreibfehler aus. Nein, nicht erst, wenn ich fertig bin, sondern genau j.e.t.z.t während ich das schreibe. Früher hätte ich ihm seinen Bleistift zerbrochen und es wäre zu einem eher unfeinen Gerangel gekommen. Aber das geht nicht: Der Leyrer sitzt viele Kilometer entfernt an seinem Computer und pfuscht von dort aus in meinem Dokument herum. „Collaborative Editing“ heißt das. Und dass er das in diesem Fall in Echtzeit kann – sprich: einen Buchstaben in dem Moment löschen, in dem ich ihn schreibe – das verdanken wir Google Wave.
Martin: So innovativ sich Google auch immer präsentiert, für Wave hat das Unternehmen auf bereits erprobte und bewährte Technologien zurückgegriffen. Damit Nicole zusehen kann, wie ich ihre Tippfehler ausbessere, kommt etwa XMPP, zum Einsatz, das Google bereits für seine Chatlösung „Google Chat“ nutzt.
Die hübsche Oberfläche von Wave basiert fast ausschließlich auf HTML 5 und Javascript. Dank dieser Entscheidung wird Wave in Zukunft in allen Webbrowsern (Firefox, Opera etc.) problemlos funktionieren – und Dank „Gears“, einer Browsererweiterung von Google, wird auch eine Kommunikation zwischen Webbrowser und Desktop ermöglicht. Damit konnte Nicole beispielsweise Fotos einfach aus ihrem Ordner am PC in unsere Welle ziehen.
Beschränkt man sich auf diese Funktionalität, so wirkt Google Wave immer noch wie eine bessere Videokonferenzlösung oder ein kollaborativer Texteditor. Wirklich interessant wird Wave erst, wenn man die einzelnen Wellen um Extensions wie Robots oder Gadgets erweitert. Gadgets kann man sich wie Facebook Applikationen vorstellen: Kleine Anwendungen, die in eine Welle eingebunden werden können und Umfragen, Spiele (Sudoku, Schach), etc. ermöglichen. Robots sind automatisierte Teilnehmer an Waves. Würde ich Nicole und Meral nicht persönlich kennen, könnten die beiden hier in der Wave genaus Robots sein, die den Turing-Test bestehen. Robots können auf Ereignisse in der Wave reagieren, mit Benutzern interagieren und Daten von außerhalb der Welle einholen. So verlinkt etwa der „TwitUsernames“-Bot alle Benutzernamen in der Wave mit ihren Twitteraccounts und Google bietet mit „Spelly“ Nicoles Lieblingsbot an, der die Rechtschreibung in einer Wave korrigiert.
Nicole: Nö, Rosy ist mein Liebling, Martin!
Martin: Na dann mach ma „den Bot, den Nicole am notwendigsten hat“, daraus ;)
Mit diesen „Extensions“ wird Google Wave unendlich erweiterbar und man kann, meiner bescheidenen Meinung nach, davon ausgehen, dass die „Killeranwendung“, die Google Wave endgültig zur eierlegenden Wollmilchsau der Online-Zusammenarbeit macht, nicht von Google selbst kommt, sondern im Form einer Extension veröffentlicht wird.
Meral: Alle wollen die eierlegende Wollmilchsau, für mich reicht das was Google Wave jetzt kann (und in Zukunft noch können wird), um meinen Emailverkehr zu ersetzen. „Es gibt keinen SEND Button“, das war mein erster Gedanke, alles was ich tue passiert in Echtzeit und andere, die berechtigt sind, verfolgen live das Geschehen. Wenn ich auf DONE drücke, signalisiere ich meinem Gegenpart, dass ich fertig bin. Er/sie kann mit der Antwort aber auch früher anfangen.
Genau das ist der springende Punkt: Es ist wie in einem echten Gespräch. Eine/r beginnt, der/die andere unterbricht, fügt etwas hinzu, korrigiert, editiert und so weiter. Wenn wir bisher Twitter für Echtzeit-Kommunikation gehalten haben (und bis zu einem gewissen Grad ist es das ja auch), so zeigt uns erst Google Wave, was Echtzeit in Zukunft bedeuten wird. Aber die Beschränkung auf 140 Zeichen entfällt und die Kommunikation ist in „Threads“ (Diskussionsfäden) gegliedert, damit man den Überblick behält.
Nicole: Während Meral hier also in Echtzeit über Echtzeit schreibt (und diesmal ich es bin, die ihr penetrant in den Text reinpfuscht), ist der Leyrer gar nicht online. Macht aber nichts. Wenn er zu einem späteren Zeit zurück in die Welle kommt, kann er sich mittels Replay-Funktion, die Konversation von Anfang an anzeigen lassen. Wie in einem kleinen Trickfilm baut sich das Gespräch auf seinem Bildschirm auf. Praktisch für jeden, der Teile verpasst hat oder erst nachträglich eingeladen wurde. Was der Leyrer jedoch nicht zu sehen bekommt – tja, Pech – sind die privaten Replies, die Meral mir geschickt hat. Das gibt’s nämlich auch. In ein und derselben Welle.
Meral: Das heißt, Sie können mit Ihren Kunden kommunizieren und gleichzeitig mit Ihren MitarbeiterInnen Rücksprache halten – innerhalb der gleichen Welle, aber trotzdem voneinander getrennt.
Der internationalen Zusammenarbeit kommt dabei noch die Simultan-Übersetzungsfunktion zu gute.
Martin: Google Wave mischt Bestehendes zu etwas Neuem zusammen. Derzeit bin ich allerdings noch skeptisch, was die breite Akzeptanz von Google Wave betrifft. Zu „unübersichtlich“ präsentiert sich das Tool und zu starr sind die Strukturen in (größeren) Unternehmen, als dass Wave dort E-Mail ablösen würde. Zu Wikis, Skype-Chats oder Kollaborativen Editoren stellt Google Wave aber schon jetzt eine Alternative dar bzw. bietet gegenüber diesen einen Mehrwert.
Nicole: Dass Google Wave uns zu einer neuen Art kommunikativer Allrounder machen könnte, ist sicherlich unumstritten. Es stellt sich allerdings die Frage: Braucht das jemand? In gewisser Weise bietet Wave Lösungen für Probleme, die gar nicht vorhanden sind. Wenn ich mit dem Status Quo zufrieden bin, warum soll ich ihn ändern?
Weil Google Wave nicht für die „Generation Email“ gemacht wurde. Weil eine neue Generation heranwächst, Onliner mit Geburtsdaten jenseits der 1990er, in deren Kommunikationsverhalten die Email bereits Marginalität ist. Gerade mal mit Lehrern, mit Eltern wird noch gemailt. Die Peers hingegen unterhalten sich auf Plattformen (Twitter, My Space) oder via Messenger. Und genau hier setzt Wave an: Im Kern ist es eine solche Plattform. Ob der Brückenschlag zwischen den Generationen dadurch gelingt, wird sich zeigen.