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Riese BMW hat’s vorgehüpft, die Klein-Unternehmer ziehen nach: Social Media Marketing als neue Wunderwaffe. Braucht jetzt jede Firma eine Facebook-Seite? [Erschienen im WIENER Nr.342/Jänner 2010]

„Tarte ist gut, Crème brûlée ist gut, Nougat ist gut. Wie gut muss dann erst eine Nougat-Crème-brûlée-Tarte sein? In zwei Stunden werden wir es wissen.“ twittert Michael Vesely. Und um ganz sicher zu gehen, dass nun wirklich jeder seiner 600 Follower auf die Tastatur sabbert, stellt er noch rasch einen Schnappschuss auf Facebook: „Das Warten der Schokopuddinge auf die Mittagsgäste“. Mehr kann man wirklich nicht tun.

Reisinger’s ist ein winziges Lokal im Textilviertel. Mit zwanzig Gästen ist es bereits überfüllt. Dass sich diese zwanzig hier regelmäßig einfinden, dafür sorgt Wirt Vesely mit Charme, Humor und Social Media Marketing. „Wer, wenn nicht Lokale sollen twittern?“, sagt er, „Wir twittern unser Mittagsmenü und haben so zumindest einmal täglich etwas Sinnvolles mitzuteilen. Das ist mehr als viele andere.“

Veselys Geheimnis? Authentizität, denn glatt gebügelte Corporate-Speak-Ergüsse interessieren niemanden: Social Media Marketing ist Dialog, nicht Keilerei. Das klar definierte Ziel: Kundenbindung vor Kundengewinnung. Wer das beherzigt, knackt nicht gleich den Jackpot, hat aber zumindest mal einen Fuß in der Tür.

„Durch Twitter, Facebook und Co. haben wir einen konstanten Dialog mit unseren Gästen. Wir forcieren das auch, etwa durch Abstimmungen bezüglich Speiseplan oder Veröffentlichen von Rezepten auf Gästewunsch.“

Gerade für Klein- und Mittelunternehmen, für Nahversorger wie Reisinger’s ist Social Media Marketing attraktiv: es kostet nichts, ist aber – richtig genutzt – effektiv.

Ja klar, oft grenzt es an Selbstausbeutung, was Zeit und persönliches Engagement anbelangt, aber die Ergebnisse können sich sehen lassen. In Schulungen zum Thema wird an dieser Stelle dann immer gerne auf das Bilderbuch-Beispiel Gary Vaynerchuk verwiesen. Tun wir hiermit auch: Herr Vaynerchuk leitet einen Online Weinhandel (winelibrary.com). Keine sonderlich originelle Idee, denn das Netz beheimatet Millionen zunächst hoffnungsvoller, dann hoffnungsloser Weinhändler. Aber die „Wine Library“ ist anders: Sie hat innerhalb der letzten fünf, sechs Jahre den Umsatz verzehnfacht. Wie? Durch Wine Library TV, einem weinseligen Video-Podcast, der Dank seiner täglichen Updates zum Community-Magneten avancierte. Kostenpunkt? Null. Bilanz: 50 Millionen Dollar.

„Das Potential ist enorm“, weiß Social Media Profi Dieter Rappold (siehe untenstehendes Interview bzw. Videointerview hier), „Aber der deutschsprachige Raum ist da sehr konservativ und zurückhaltend.“ Das Problem liegt jedoch weniger darin, dass Facebook und Konsorten hier unbekannt wären, als in einer Scheu, sich in diesem neuartigen Ökosystem zu bewegen. Das Tool muss letztlich auch zur Unternehmenskultur und zum Selbstverständnis eines Betriebs passen. Wer versucht, im Web 2.0 auf die gleiche Art und Weise zu kommunizieren, wie in der „alten Welt“, in der Welt des klassischen Marketings wird scheitern. Denn das ist nicht mehr, was Konsumenten wollen. Dialog auf Augenhöhe heißt die Zauberformel – und daran beißen sich oft gerade die Werbe-Yuppies und PR-Tussen die gebleachten Zähne aus. Rappold: „Wenn ich aber möchte, dass sich jemand für meine Arbeit interessiert, muss ich mich grundlegend verändern.“

Eine platte, massenmediale Botschaft, mittels Hilti in Zielgruppenhirne gebohrt, wird von Webcommunities im besten Fall ignoriert. Gesucht wird Content statt Slogans. Will ich als Firma im Social Web mitspielen, muss ich bereit und fähig sein, diesen relevanten Content anzubieten: Something to talk about. Das ist der Anfang; der Rest ist Beziehungspflege.

Beziehungen sind es, die Content Gehör verschaffen.

Denn tatsächlich steht Content (und durchaus auch relevanter) im Netz unbegrenzt zur Verfügung. War früher der mediale Platz zur Vermittlung von Botschaften eng und entsprechend umkämpft, so lässt der Onlinebereich aufatmen: Platzprobleme unbekannt. Begrenzt ist hingegen die Aufmerksamkeit der User – rar und ausschließlich durch Beziehungspflege zu erreichen.

„Sollen wir dir ein Stück Himbeer-Tarte samt Prosecco für heute Abend reservieren, Kerstin?“ fragt Vesely via Facebook einen Stammgast und liefert gleich den Augenzeugenbericht aus Reisingers Küche: „Noch wabbelt die heiße Füllung ein bisserl, aber in einer knappen Stunde ist sie schnittfest.“ Beziehungspflege in Reinkultur. Ein Händchen dafür braucht es halt. Es liegt nicht jedem.

Gegenbeispiel gefällig?

Jack Wolfskin, Hersteller von Outdoor- und Trekking-Bekleidung, wurde jüngst zum Buhmann der Szene. Ein Elefant im Glasfaserleitungsladen. Was war geschehen? Einige User hatten ihre selbstgestrickten Mützen und Co. auf einem Amateur-Handarbeitsportal zum Verkauf angeboten. Dabei war das Strickmuster ein Tierpfotenabdruck, in dem Jack Wolfskins Rechtsanwälte meinten, das Firmenlogo wiederzuerkennen. Mehr war nicht nötig, um die geballte Maschinerie an Abmahnungen, Klagdrohungen und anderen Grauslichkeiten loszutreten. Sprich: So ziemlich das Gegenteil von Dialog auf Augenhöhe.

Das Ergebnis fiel jedoch etwas anders aus, als von der Anwaltsarmee erwartet: Schneller als man „tweet this“ sagen kann, organisierte sich ein breit angelegter Protest. Wer „Jack Wolfskin“ in Google eingab, erhielt auf den ersten Ergebnisseiten Dutzende sehr negative Meldungen über die Marke und den Umgang mit Kunden. Am Ende des Tages sah sich Jack Wolfskin gezwungen, zurückzurudern und sich mit den Betroffenen zu einigen.

Tja, Pech: Kunden, die sich organisieren können, haben Macht. Interaktionen, die nicht auf Hausverstand und Menschlichkeit basieren, können im Netz entsprechend viel Schaden für eine Marke anrichten. Aber getreu dem Sprichwort „one man’s trash is another man’s treasure“: wo abmahnen versagt, funktioniert mitspielen.

„Fight H1N1 – esst mehr Schweinefleisch!“, twittert Vesely. Und kann sich darauf verlassen, dass die Kunden dieser Aufforderung nachkommen werden. In seinem Lokal.

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Weihnachtsamnesie

In meinem Hirn herrscht Weihnachtsleere. Ja, danke der Nachfrage: Das YouTube Weihnachtskino war super und ist fortan meine stehende Empfehlung für die nächsten 17 Jahre. Oder, um es mit Farkas zu sagen: Schauen Sie sich das an! (Aber wehe, Sie schnappen mir den Sitzplatz weg.)

Mag natürlich sein, dass ich nur deshalb so wohlwollend daran zurückdenke, weil das der letzte Abend war, an dem das Hirn noch funktioniert hat. Vermutlich auch der letzte, an dem es irgendeine Art von anregendem Futter bekommen hat. Seither ist es in der Zuckerschock- und Pixi-Bücher-Hölle gefangen. Es kann die „Weihnachtsbriefe von Felix“ schlafwandlerisch herunterbeten, ebenso wie die Namen der Rentiere eines gewissen Herrn S. Claus. Nämlich: Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner und Blitzen. Glauben Sie bloß nicht, ich hätte das gegoogelt. Ich kann das echt. (Dieses Lied hier ist schuld dran) Aber die dafür abkommandierten Gehirnregionen stehen nun eben für andere Tätigkeiten nicht mehr zur Verfügung.

Im Alltag ist das nicht schlimm. Ehrlich, ein denkender Mensch mehr oder weniger fällt bei der vorherrschenden Punschseeligkeit auch nicht mehr auf. Ich nehme vieles mit verwundertem Unverständnis wahr. FPBZFPKÖ etwa (obzwar ich mir nicht sicher bin, ob ich das bei weniger akuter Hirnlosigkeit besser durchblickt hätte oder inwiefern da mein Zustand nicht sogar von verständnisförderndem Vorteil ist…)

Ich muss mich außerdem über vieles gar nicht mehr so echauffieren. Mit der Weihnachtsamnesie kehrt gewissermaßen auch eine generelle Weihnachtsamnestie ein. (Meine Kieferorthopädin ausgeschlossen. Irgendwo ist Schluss mit lustig.)

Ich habe vor lauter Weggetretenheit Kakaokipferln gebacken, die jeglicher Beschreibung spotten und die formgebende Kategorie „Kipferl“ nur widerrechtlich im Namen tragen. Aber, und das ist das Feine daran: Es ist mir wurscht. Das ist ganz herrlich erfrischend für meinereins. Bin ja sonst so ein kopfgesteuertes Wesen.
Es ist ein Zustand, wie ich ihn sonst vom Laufen kenne, wenn sich etwa ab Kilometer 7 der Autopilot zuschaltet und man sich um nichts mehr scheren muss.

Gut, es fehlen noch ein paar Geschenke. Und der Vogel sollte rechtzeitig beim Geflügelhändler reserviert werden. Ein Mistelzweig und ein Socken wären ein „nice touch“ in meinem anglophilen Haushalt. Aber echt: wenn nicht, dann nicht. Ich lass das den Autopilot machen. Er hat mich bis hierher gebracht und er wird mich auch noch durch den Endspurt steuern. Diesen Blogpost schreibt er auch gerade für mich. Das hätt ich nicht extra erwähnen brauchen, ich weiß, man spürt’s und – erraten – es ist mir wurscht. (Nehmen Sie mir’s nicht krumm.)

Ah, die herrliche Inhaltsleere! Das sind innere Weihnachtsferien, und ich werde sie lieben und ehren, hegen und pflegen.

Ich weiß nämlich, dass sie (Schirrmacher stehe mir bei!) nicht von Dauer sind: Im Jänner prasselt das Semesterende mit 352-seitigen Skripten auf mich ein („Lustig ist das StudientInnenleben faria…“). Mein Brötchengeber, der WIENER, wird auch wieder Schnee und Lametta der selbstverordneten Winterpause abschütteln und fordert dann vermutlich etwas Nicht-Autopilotiertes. Und in der Schule geht der Reigen der Beurteilungsgespräche los – per se ein Kandidat für gemüsige Autopiloten-Präsenz, aber ich fürchte, die sehen das dort nicht so gerne. Da muss ich den Hebel rechtzeitig auf engagiertes Muttertier umlegen, sonst wird’s peinlich…

Jedoch bis es soweit ist: Ferien. Hirn aus. Durchatmen. Autopilot.
Jawohl. Na kommen Sie schon, leisten Sie mir Gesellschaft!

Und damit es Ihnen leichter fällt (und extra für Patrick M. der sich das so sehr wünscht), sei Ihnen dieses Video als Starthilfe gewidmet. Happy 24/31! Man liest sich…

[Text für Zeit im Blog 21]

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Es gibt heuer keine Weihnachtsstimmung. Punktum. Ich weiß auch nicht, woran es liegt

Aber wenn ich mich umhöre und umschaue, lese ich durch die Bank von Leuten, denen es ebenso ergeht. Im Zweifelsfall lässt sich ja immer alles auf das Wetter schieben. Die Gleichung lautet: Kein Schnee = keine Weihnachtsstimmung.
Oder auf die böse Konsumindustrie, die uns Ende August die ersten Nikoläuse vor die Nase knallt und im November bereits die Neujahrsschweinderln samt Kotzkübel…äh Sektkübel.
Irgendwo dazwischen ist dann Weihnachten abhanden gekommen.
Mir greift diese (B)Analyse aber zu kurz. Schnee gab’s mal ja, mal nein in meinem Leben. In den letzten Jahren ohnedies eher nein. Nikoläuse im August sind auch kein Novum und haben mich etwa 2001 nicht daran gehindert ganz außerordentlich weihnachtsgestimmt zu sein. Aber heuer?

It’s not for lack of trying though …

An unserer Tür prangt brav der alljährliche Glitzerstern. In weihnachtlichem Rot, was unsere grantelnden Nachbarn schon letztes Jahr für unverhohlene Kommunismuspropaganda hielten. Das hat sie gleich noch grantelnder gemacht. „Der Stern von Bethlehem ist rot!“, zischte Frau Nachbarin zwischen den Zähnen Herrn Nachbarn zu, mit unmissverständlich entsetztem Subtext.
Aber heuer hängt er erst recht wieder. Ich kann echt nicht auf alles Rücksicht nehmen.

Auch nicht auf die (anti-)religiösen Gefühle meines Vaters, der widerum mit roten Sternen gut leben kann, dafür Magengeschwüre von Weihnachtsengerln bekommt. Trotzdem hängen sie am Fenster, weil #Kind1 und #Kind2 mögen sie gerne – und die haben die Vorrechte ortsansäßiger Platzhirschinnen.

Darüber hinaus stehen in einer Vase wacker die Barbarazweigerln. Die sind mein persönliches botanisches Experiment. Es gibt jedes Jahr Taktikbesprechungen mit der Blumenhändlerin, wie man sie verdammt noch mal zum Aufgehen bewegen kann. Heuer hab ich sie (ihre Idee) gleich zu Beginn in einer warmen Badewanne ersäuft, und wenn das nicht nachhaltig nützt, werde ich sie (meine Idee) noch mit der Infrarotlampe… – Also Sie sehen, ich bemühe mich ja um Weihnachten! Aber es will heuer nicht.
Ich gehe an Punschständen vorbei und bin nicht mal in Versuchung. Damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Kekse sind – mal abgesehen von den Kokosbusserln – fertig. Aber sie haben mich nicht in Weihnachtsstimmung und die Wohnung nicht in Zimt-Vanille-Aroma gehüllt. Ok, letzteres schon, aber auch nur vorübergehend. Die Magenkrankheit der Katze riecht nämlich nachhaltiger. Und meinereins war inzwischen einfach nur entnervt von den klebrigen Teigfingern.

Wer mich kennt, weiß um meine Kitschseele, um meine geradezu einschüchternde Sammlung an Weihnachts-CDs und den Fanatismus, mit dem ich Gewürznelken mit bloßen Fingern in Orangen stecke. (Den dazupassenden Chuck Norris Gewürznelken-Witz dürfen sich Internet-Mem-affine Personen an dieser Stelle selber erfinden, ich verkneif ihn mir.)

Kurz: Ich bin wahrlich keine Weihnachtsagnostikerin. Ich glaub, es liegt nicht an mir. Sogar die Kids sind heuer verhältnismäßig ungerührt und haben es mir nicht übel genommen, dass ich, ob meiner Intoleranz für noch mehr Klebefinger, den Großteil der Kekse hinter ihrem Rücken gebacken habe.
#Kind1 bastelt zwar vergnügt ihre polytheistischen Krippenfiguren in der Schule („Josef und Maria waren schon aus, da hab ich halt vier Jesuskinder gemacht“), um sie dann für die Klassenkassa zu verhökern (auch hier Weihnachten in Konsumenien), bohrt aber gelangweilt in der Nase, wenn ich den Adventkranz ansinge. „Bah! Humbug!“

Nun gut. Sind ja noch zehn Tage. Meine Girlgeek-Seele setzt große Hoffnungen auf das YouTube Weihnachtskino, dessen streng geheimes Programm Intendantin Jana Herwig in nächtelanger Recherche zusammengestellt hat.
Da werde ich hingehen, und auf eine innere Wandlung vom Scrooge zum Tiny Tim hoffen.

Und Sie lesen dann nächste Woche, ob das geklappt hat

[Text für Zeit im Blog 21]

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Ich schätze mal, dass der Osterhase als erster auffliegt. Die Story ist schlicht zu unglaubwürdig, als dass man sie einem/einer mündigen StaatsbürgerIn jenseits der 5 Jahre länger reindrücken könnte.

Zweifel regten sich bei #Kind1 bereits im Vorjahr und wir haben wirklich sämtliche verfügbare Synapsen bemüht (bei Eltern sind das ja lang nicht so viele wie nötig), um dem Feldtier eine hieb- und stichfeste Existenzberechtigung zu liefern. Es ist uns – vorrübergehend – gelungen. Kalliope sei Dank!

Dabei ist es mir eigentlich blunzn, ob #Kind1 noch an Fabelwesen glaubt. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Ab einem gewissen Alter.
Und genau hier liegt der (Oster-)hase im Pfeffer: Dieses Alter hat sie. Aber #Kind2 hat es, wohlgemerkt, noch nicht.

#Kind2 soll noch in den Genuss eines von Zahnfeen und fliegenden Rentieren bevölkerten Universums kommen.
Und, nö, ich lass mich jetzt gar nicht auf die Diskussion ein, ob es verwerflich wäre, Kinder anzuschwindeln. Die Schizophrenie des Konzeptes ist mir wohl bewusst: Ich erzähle ihr nichts vom Klapperstorch („weil das ist ausgemachter Schwachsinn!“), aber ich erzähle ihr von den Kobolden in der Werkstatt des Weihnachtsmannes („weil das ist ja so schön und fantasiefördernd“).

Wer diese Unterscheidung trifft? Ich.
Mit welcher Berechtigung? Weil ich es sage.
Schnödes Festhalten an der Illusion von Macht und Einfluss, die man sich ab Familienzuwachs ohnehin abschminken kann.

Schieben Sie’s auf die reduzierten Muttersynapsen, auf eigene Kindheitssehnsüchte oder meinetwegen auf den Schuldbären. (Also, das ist der Bär, der immer Schuld ist, wenn zum Beispiel ein roter Socken in der Kochwäsche… well, you get the picture). Der Schuldbär ist praktisch. Nehmen Sie ihn in die Menagerie auf, er steht hiermit unter einer Creative Commons Lizenz … aber sparen Sie sich die Namensnennung, die würde Verdacht auf Nichtexistenz schüren …

Letztlich ist es ja so: Wenn #Kind1 uns die Kikis aufhalst, dürfen wir uns getrost mit der geballten Macht (nicht nur) unseres Kulturgutes revanchieren. Deswegen mach ich mir echt keine schlaflosen Nächte.

Aber die Altersdiskrepanz. Die macht mir zu schaffen.
Während #Kind2 mit glänzenden Augen aus dem Kindergarten kommt, aufgeregt und fast schon sichtbar von Feenstaub umweht, um zu verkünden: „Die Nikolosackerln sind weg! Die hat bestimmt der Nikolo abgeholt, um sie zu füllen!“, sitzt #Kind1 mit gelangweilter Pubertätsmiene (ja, mit 6 Jahren!) am Sofa und sagt: „Das war nicht der Nikolo, das waren die Erzieherinnen.“
#Kind2 bekommt postwendend einen verzweifelten Weinkrampf und #Kind1 sagt „Du bist ja so ein Baby!“, was die Sache nicht besser macht.

Sämtliche Versuche, ihr irgendwie zu stecken „Du hast ja recht, aber behalte das bitte für dich“, kann ich mir da in die Haare und in meinen nikolo’schen Rauschebart schmieren.
Laut Stundenplan hat #Kind1 zwar einmal wöchentlich „Mediation und Konfliktvermeidung“ in der Schule (cool, oder?), aber mein mediationsgeschultes Kind denkt gar nicht erst daran, ihre Erkenntnisse mit ihrer Familie zu teilen oder gar anzuwenden. Dazu macht es viel zu viel Spaß, #Kind2 zu ärgern…

Jedoch.
Am Nikoloabend kommt Miss Abgebrüht plötzlich daher und steckt ein Fetzerl Papier in ihren Stiefel: Wenn der Nikolo kommt, soll er ihr ein Autogramm draufschreiben. Weil das ist vielleicht doch noch eine Spur cooler als eins von Miley Cyrus.

Ich glaub, ich muss mir vorerst wenig Sorgen machen …

[Text für Zeit im Blog 21]

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Per Twitter machte Drew Olanoff seine Krebserkrankung zum Sündenbock für alles und jeden. Jetzt ist er wieder gesund – Dank Chemo und Social Media. Und wir feiern Weihnachten 2.0 [Erschienen – nicht wörtlich, aber fast – im WIENER 341/Dez. 2009]

Für die aktuelle Print-Ausgabe des WIENER wollte ich eigentlich etwas über Meme schreiben. Ist ja auch nicht ganz unweihnachtlich, wo doch beispielsweise Andreas Klinger gerade erst meinte, Last Christmas wäre das Rickrolling des gemeinen Bürgers.
Hat was.

Letztlich ist es dann aber anders gekommen: Vor ein paar Wochen ist ein Weihnachtswunder geschehen. Zugegebener Maßen frühzeitig, aber deshalb nicht minder großartig. Und ehrlich, was kann einer Kolumnistin um diese Jahreszeit besseres passieren als ein Weihnachtswunder? Eben. Die Meme müssen warten.

Es ist nämlich so, dass Drew Olanoff gesund ist. Das Geschwür in seinem Nacken hat sich aufgelöst. Das Geschwür in seinem Brustkorb und das in seinem Bauch ebenfalls. Neun mal Chemo und der Kampf war gewonnen.

Aber es war nicht allein die Chemie, die den Kampf gewonnen hat. Es war Drew. Es war Social Media. „My cancer is social“ hatte Drew von Anfang an gesagt und er hat vorgelebt, wie’s geht.

Als Drew vor einigen Monaten mit Hodgkin-Lymphom diagnostiziert wurde, war er verdammt sauer. Irgendjemand musste doch schuld an dieser ganzen, pardon my French, Scheiße sein! Es musste doch jemanden geben, dem man das alles in die Schuhe schieben konnte: die Angst, die Übelkeit, die Schweißausbrüche, den pinkfarbenen Urin.

Drew beschloss das Naheliegendste: Er gab seinem Krebs die Schuld. Und zwar jegliche. Autoschlüssel verloren? „I blame Drew’s Cancer!“ Zu spät im Büro? „I Blame Drew’s Cancer!“ James Blunt hat eine neue Single? Ratet mal, wer daran schuld ist…

Das funktionierte, denn es machte Drews Leben leichter. Tiefschwarzer Humor, sicherlich. Aber besser als dumpfes Brüten und nach Innen gerichtete Verzweiflung. Drew twitterte seine Schuldzuweisungen, er aggregierte sie als Stream auf seiner Website, er gründete eine Facebookgruppe. Und er bot seinen neugefundenen Sündenbock der ganzen Welt an: Was immer euch quält, Folks, lastet es meinem Krebs an!

Ein Hashtag ging um die Welt: #BlameDrewsCancer. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben 14077 Menschen ihre Alltagswehwehchen mit diesem Hashtag gekennzeichnet und an Drews Krebs kollektiv Dampf abgelassen. Vom verschütteten Beaujolais bis zum Krach mit der Freundin.
Und Drew war nicht untätig, er hat sich auf Sponsorsuche gemacht: Für jeden geposteten #BlameDrewsCancer-Tweet wird demnächst eine Spende an „Livestrong“ gehen, die Lance Armstrong Foundation zur Unterstützung von Krebskranken.
Dazu kommt der Verkauf von #BlameDrewsCancer T-Shirts, ein Spendenmarathon („Blame-A-Thon“) in Philadelphia und und und.

Drews Erfindungsgeist und Tatendrang, was das Auftreiben neuer Spendengelder anbelangt, war und ist schier unbegrenzt. Dazwischen hatte er Sinnkrisen, Schwindelanfälle, Taubheit in den Gliedmaßen. Er kotzte sich die Seele aus dem Leib, nicht nur buchstäblich, sondern auch in je 140 Buchstaben, denn er twitterte darüber. Krankheit im Scheinwerferlicht. Privat war gestern.

Schlägt mir da Empörung der Generation Armin Thurnher entgegen? Dann seid gemittelfingert. Ich war nämlich unlängst Gast in einer Brustkrebs-Selbsthilfegruppe. Dort lautete der Tenor: Das Furchtbarste ist die Geheimniskrämerei. Dass man sich nicht traut, es jemandem zu sagen. Dass man niemanden belasten will.

Nun, Drew hat das Gegenteil bewiesen. Man kann darüber reden. Das Wort „sozial“ steckt nicht zu Unrecht in Social Media, denn ohne seinen Sozius ist der Mensch ein armer Hund. Ich – und Tausende Twitteruser – waren in den letzten Monaten Drews Soziae. Eine von uns hat er inzwischen geheiratet.

Wir anderen haben mit ihm geweint, haben Schuld zugewiesen, Geld gespendet, und auch ziemlich viel gelacht. Und es ist typisch Drew, dass er nicht aufhört zu kämpfen, bloß weil sein eigener Kampf gewonnen ist.

Das Duell Twitter vs. Krebs geht gerade erst in die zweite Runde.

Join the fight at http://www.facebook.com/BlameDrewsCancer!

Ach ja, das mit den Memen gibts dann eben im nächsten Heft.

EDIT:
Ja, das schlimmste ist überstanden, aber Drews letzter ärtzlicher Check-Up macht ihm ein bißchen Sorgen… Wir drücken ihm die Daumen!

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