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Yes, we leak!

Wikileaks röchelt. Openleaks kann gar nichts. Austroleaks? Naja. Wenn die Flamme der Hoffnung zum Teelicht mutiert, muss man sich Verbündete suchen: WIENER-Kolumnistin Nicole Kolisch hat WIENERIN-Chefin S.M. Steinitz gefunden. Hier ist das Ergebnis. [erschienen im WIENER 362]

Was bisher geschah: Es sieht schlecht aus für das gallische Dorf. Fischhändler Assange und Dorfschmied Domscheit-Berg haben sich zerstritten, das Rezept für den Zaubertrank, ein 58-Buchstaben-Passwort, ist durch die Eitelkeit eines Geschichtsschreibers den Römern in die Hände gefallen. Erstmals erwächst tatsächlich Gefahr für die Verbündeten der Gallier, vielfach wird gemutmaßt, das Ende des Widerstands wäre nah: Wikileaks ist tot. Ist das Experminent deshalb gescheitert? We don’t think so.

Was hat WikiLeaks bis jetzt bewirkt? Unter anderem, dass Journalisten ihre Ideale hinterfragen und sich auf ihre Wurzeln besinnen. Dass Investigativjournalismus bei Jugendlichen plötzlich als Berufswunsch auftaucht. Dass Herr Kovacs aus dem Facility Management weiß, was “Whistleblowing” ist. Dass Menschen ihre eigene Verantwortlichkeit für den Zustand der Welt erkennen. Und auch wissen: Das bloße Aufzeigen von Missständen allein bedeutet noch nicht ihre Beseitigung, sondern nur den ersten Schritt zur Veränderung. Und vielleicht studieren Cable-Süchtige künftig auch mal den Politikteil ihrer Tageszeitung…

Ob allein Computergeeks die Welt verbessern können, dürfen wir getrost verneinen. Der Zickenkrieg, den WL-Gründer Julian Assange und sein ehemaliger Mitstreiter Daniel Domscheit-Berg einander seit Monaten liefern, beweist: People are people.
Aber wir brauchen die Techies und Nerds, die oft anonymen, ungehobelten Hacktivisten, die per Tastatur die Welt aufmischen..

Wir brauchen Wikileaks als etablierte, weltweit bekannte Marke. Mag sein, nicht in Österreich. Hier funktioniert das System Klenk-Kuch und lässt neuerdings die Worm’sche Tradition wieder aufleben. Aber in Staaten wie China und Indien – Staaten, deren Bedeutung unsere bald übersteigen wird. Denn wo die Publikative nicht als Kontrollorgan, sondern als Hofberichterstattung dient, wird eine weithin sichtbare Anlaufstelle der Wahrheitsfindung unumgänglich.

Gegen WikiLeaks als globale Whistleblowing-”Marke” spricht der autokratische Führungsstil Julian Assanges. Und sein tief verwurzeltes, gegen Autorität per se gerichtetes Wesen, das nicht zwischen “guter Führung” und “böser Diktatur” unterscheidet. So what? Auch Sigmund Freud galt bei Zeitgenossen als umstritten. Sein Pioniergeist hat manchem Patienten mehr geschadet als geholfen. Dennoch hat seine Psychoanalyse unsere Welt bleibend verändert. Klar, vieles, was Freud anfangs behauptete, ist längst wiederlegt. Aber seine Rolle in der Schaffung eines neuen Bewusstseins für das Unterbewusste erkennt man heute rückhaltlos an.

Die Rolle Assanges in der Schaffung eines neuen Bewusstseins für kollektive Verantwortung mag dereinst ähnlich beurteilt werden. Oder auch nicht. Das ist egal: Der Ball liegt ohnehin bei uns.


S.M. Steinitz ist Chefredakteurin der WIENERIN. 2010 co-organisierte sie die Wiener Pro-WikiLeaks-Demo für Presse- und Meinungsfreiheit. An ihrer Vorzimmerwand hat sie ein Poster: “Yes, we leak”.


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Kismet

Countdown-Woche 22: Erstens kommt es anders, zweitens als frau denkt. Nicole ist auf Kriegsfuß mit ihrem Sprunggelenk und auf der Suche nach Plan B. [erscheint auch auf typischich.at]

“Ich fahre garantiert nicht ins Lorenz-Böhler!”, sage ich und stampfe trotzig mit dem Fuß auf. Hätte ich nicht tun sollen. Der Schmerz fährt direkt ins Zwischenhirn und belehrt mich eines Besseren.

Am Vortag hatte ich im Prater einen Stein übersehen, bin mit dem Knöchel umgeknickt und in hochdramatischer Performance zu Boden gegangen. Da lag ich also, Anwärterin für den Schwalben-Oscar, Aug in Aug mit einem neugierig angetrapsten Husky. War auch sofort von hilfreichen Sonntagsausflüglern umringt, die sich für mich auf die weitere Vorgehensweise einigten: “Das beste ist, gleich wieder draufsteigen und belasten!” Na gut. Einen Kilometer hab ich noch geschafft, dann hat mir das Sprunggelenk den Stinkefinger gezeigt.

Als das linke Bein schließlich über Nacht die Trendfarbe lila und das doppelte Volumen annahm, war die Diagnose eigentlich klar, noch bevor ein Arzt das böse Wort aussprechen konnte. Fängt mit “Bänder” an, hört mit “Riss” auf. (Na hab ich’s nicht praktisch prophezeit im Sommer?) Verflixt. Also ab ins Taxi…

Im Wartebereich läuft “Columbo”. Eh fein, aber ich sitze neben einer Mitt-Fünfzigerin mit Mitteilungsbedürfnis. “Das hatte ich auch schon mal”, sagt sie und erzählt mir von Ärztepfusch und Komplikationen ohne Ende. Ich linse verstohlen in den Taschenspiegel. Hab ich irgendwo ein Schild “Horrorstories hier abladen”?  Nö! Die Suada neben mir geht dennoch unbeirrt weiter: “Als sie mir dann Gewichte an den Fuß gehängt haben, hab ich so geschrien, nein wirklich, das waren solche Schmerzen, unvorstellbar…”

“Frau Kolisch: Raum 14!” kommt da geradezu erlösend. Die diensthabenden Ärzte sind heute auch alle nett und nehmen sich die entscheidenden 30,2 Sekunden länger Zeit pro Patient. Ungewöhnlich für den Fließbandbetrieb Unfallkrankenhaus. “Sie wissen, was jetzt kommt?”, fragt Mister Röntgen, “Wir hängen ihnen 3kg Gewichte an den Fuß und warten 5 Minuten bis die Muskulatur nachgibt.” Ja, ich weiß. Deshalb wollt ich ja nicht her.

Aber der Schlächter sieht auch irgendwie aus wie Peter Falk. Das flößt mir Vertrauen ein. Ich denke an meinen Laufblog. Was wird da jetzt draus? Umbenennen in “Nicole hatscht”? Und was wird aus dem Marathon-Ziel? Dann denk ich an meinen zweitliebsten Dramatiker Bertolt Brecht und seine Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens: “Ja mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht. Und mach noch einen zweiten Plan – gehen tun sie beide nicht.” Bei so vielen Fragezeichen vergehen die 5 Minuten wie im Flug. Hat nicht mal wehgetan. Ehrlich!

Fazit: 6 Wochen Schiene. 3 Monate Sportverbot. Lösungsvorschläge bitte unter “Plan B” an die Redaktion.

P.S.: “Die Dreigroschenoper”, der obiges Zitat entnommen ist, läuft übrigens ab 16. Dezember im Volkstheater. Wenn ich nicht laufen kann, hab ich ja zumindest Zeit, wieder mal ins Theater zu gehen ;)

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Männerbesuch

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Hene

„Du, die meinem Herzen nahe ist!“ hat einmal eine deiner wunderbaren und unerreichten Mails begonnen. Ich geb dir das zurück: Du, der meinem Herzen nahe ist!
Dir will ich wieder schreiben, aber ist ja zu spät… und da ich Dir nicht mehr schreiben kann, will ich zumindest über Dich schreiben. Seit einer Woche hab ich Dir viele Nachrufe verfasst. Im Kopf. Aber sie stocken immer nach dem ersten Satz… wohin dann?

Wenn ich also auch nicht über Dich schreiben kann, so wollte ich von Dir lesen. Ich hab mir alle Deine alten Mails rausgesucht. Wenn ich die Schrift klein mach, sind’s 132 Seiten. Zumindest jene, die ich noch gefunden hab. Vieles fehlt.

Sie haben mich wieder ein bissl zum Weinen gebracht. Aber auch ganz viel zum Schmunzeln, manchmal zum richtig laut Loslachen („Vorsicht ist bekanntlich die Flinte des Kornfelds“) …

Dir hätte das gefallen: „Recht hast!“, schreibst du im Juni 1997, „Es ghörat überhaupt viel mehr gweint und glacht!!“.

Gelacht hast Du immer gern. Das wurde beim Begräbnis heute auch wieder und wieder betont. Geweint hast Du aber auch. An einem ratlosen Abend im „Käuzchen“. Und: Jedes Mal beim Carmen anhören („weil das find ich auch immer traurig, wenn er sie dasticht. (…) Ich wartat immer, daß die zwei einfach heimgehn mitnand und sich vertragen“) – und bei deiner Lieblingsdichterin Rose Ausländer.

Du hast mir oft Gedichte geschickt. Die meisten von ihr. Und eins war dabei, das heute gut beschreibt, wie’s mir beim (Wieder-)Lesen Deiner Mails gegangen ist.

Verborgenes Licht (Rose Ausländer)

Manche Worte
strahlen

Andere schauen mich an
mit schwarzer Magie

Ich hole
ihr verborgenes Licht
und lege es
in mein
umdunkeltes Herz

So
lebt es sich
leichter

———–

Danke, Hene.

P.S. Merkst du? Kein Smiley in diesem Blogpost. Auch kein trauriges. Du warst „ja nicht so für diese Gsichta, weil das kann man ja auch alles mit formschönen, sprachlichen Wendungen übermitteln!“ – Du fehlst.

VERBORGENES LICHT

Manche Worte

strahlen

Andere schauen mich an

mit schwarzer Magie

Ich hole

ihr verborgenes Licht

und lege es

in mein

umdunkeltes Herz

So

lebt es sich

leichter

VERBORGENES LICHT

Manche Worte

strahlen

Andere schauen mich an

mit schwarzer Magie

Ich hole

ihr verborgenes Licht

und lege es

in mein

umdunkeltes Herz

So

lebt es sich

leichter

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Countdown-Woche 23: Natürlich hat Laufen mit Meditation zu tun. Aber wie nahe ihre Socken dem Zen-Buddhismus stehen, war Nicole bislang neu. [erscheint auch auf typischich.at]

Ilse Dippmann, Mastermind des Österreichischen Frauenlaufs, hat einmal – und ich hatte das Glück, daneben zu stehen – einen bemerkenswerten Satz von sich gegeben: “Wichtig ist, nie in frisch gewaschenen Socken zu laufen. Nur Socken, die schon einmal eingelaufen und durchgeschwitzt wurden, sind gute Laufsocken.”

Jetzt muss man wissen: Wenn’s die Dippmann nicht gäbe, würde ich gar nicht laufen. Und unzählige andere Frauen hierzulande auch nicht. Falls man als ausgewiesene Skeptikerin überhaupt bereit ist, irgendwen als Guru zu akzeptieren, dann hat die Dippmann somit echtes Guru-Potential. Spätestens durch den Socken-Sager hat sie das bewiesen.

Überprüften wir den Socken-Sager nämlich hinsichtlich seines Logikgehaltes, so finden wir ein waschechtes (oder sollte man sagen “ungewaschenes”?) Paradoxon vor: Ich möge nur in Socken laufen, die ich schon eingelaufen habe – um sie einzulaufen, muss ich aber wohl in ihnen… äh… laufen?
Das hat was von einem Kōan, sprich: von jenen Vexierbild-haften Sinnsprüchen, mit denen Zen-Meister ihre Schüler bei Laune und beim Meditieren halten. Gibt ja kein Facebook im Kloster…

Nun ist Laufen bekannter Maßen eng verwandt mit Meditation! (Fragen Sie nur Günter Heidinger, der hat ein fades Buch zum Thema geschrieben…) Guru Dippmann weiß das, und sie gibt ihren Jüngerinnen Meditationsfutter mit auf die Strecke: Laufend denke ich über das Socken-Paradoxon nach. Komme aber – auch das entspricht dem Wesen des Kōans – zu keiner Lösung.

“Das Problem des Anfangs – als Übergang vom Nicht-Sein ins Sein – ist natürlich einer der ganz großen Knüller der Philosophie – sozusagen ein intellektueller Dauerbrenner”, sagt mein WIENER-Kollege und Berufsphilosoph Peter Klien, “Um es auf den Punkt zu bringen: Diese Dinge [= Leben, Universum, Schwitzsocken etc. – Anm.] sollen keinen Anfang haben; sie müssen aber einen haben.” Puh. Und ich dachte, die größte Herausforderung wären 42 Kilometer…

Anyway, bin mir nicht sicher, wie lange meine Mitbewohner die Ausdünstungen der Kōan-Socken im Vorzimmer tolerieren werden. Zen hin oder her.

CC-BY Imogen Hardy

P.S. Unglaublich, aber wahr: “Nicole läuft” gibt’s jetzt schon seit 15 Wochen. Das muss gefeiert werden! Als Dankeschön für’s Dranbleiben verlose ich ein kleines Goodie-Packerl unter den treuen LeserInnen. Nein, sind keine verschwitzen Socken drin! Hier geht’s ab 1.11.(!) zum Gewinnspiel

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