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Memes R’Us

Wenn’s jeder tut und keiner weiß warum, dann hat mal wieder ein Mem zugeschlagen. Nirgendwo sonst liegen Euphorie und Gehirntod derart nahe beisammen. [erschienen im WIENER Nr.342 / Jänner 2010]

Glaubt man Richard Dawkins, so stellt ein Mem die kleinste (übertragbare) kulturelle Informationseinheit dar. Das Mem nistet sich im Gehirn ein und drängt dort zum Vollzug. Ansteckend? Hochgradig! Das zeigt sich nicht zuletzt an der Memetik selbst: Einst ein evolutionsbiologisches Konzept zur Erklärung von Vogeldialekten, hat sie längst die naturwissenschaftlichen Fesseln gesprengt und feiert fröhliche Urständ’ in sämtlichen Bereichen des täglichen Lebens. Am heftigsten im Internet.

Da hat einer eine Idee. Nicht einmal eine gute, aber wurscht. Schon pflanzt sich das Mem ein und evoziert den Dominoeffekt. Online Marketing-Fuzzis freuen sich dann oft über unbezahlbare virale Effekte; manche User aber erleiden schleichenden Gehirntod.

Etwa durch LOLcats. Mag sein, dass es tatsächlich irgendwann lustig war, in Onlineforen Bilder von Katzen zu posten, versehen mit orthografisch fragwürdigen Untertiteln. Samstags natürlich, denn „saturday is CATurday“. Schmerzt? Nicht nur das: Über kurz oder lang ist der Witz einfach tot. Spätestens, wenn er zum Multi-Million-Dollar-Geschäft mutiert: Bücher, Poster, eine Website, die unappetitlich teuer verkauft wird – das ist kein Runnig Gag mehr, das ist Big Business.

Oder Rickrolling, Geißel aller YouTube-Nutzer. Rickrolling, das ist eine Art elaborierter Aprilscherz, bei dem nichtsahnende Opfer durch das plötzliche Abspielen eines Rick Astley Videos erschreckt werden. Spezifisch: „Never Gonna Give You Up“ (das mit dem schlammfarbenen Trenchcoat). Sie klicken also ein Video an, was weiß ich, „Heinz von Foerster für Fortgeschrittene“ oder „XXX Gruppensex mit Friseusen“ – aber statt den konstruktivistischen Stylistinnen tanzt Ihnen nach spätestens einer Minute Herr Astley entgegen und dreht Ihnen die virtuelle lange Nase.

Wobei ich mir nie sicher bin, ob mir der Verbreitungsgrad dieses Mems nebst Aggressionen nicht auch ehrfurchtsvolles Staunen abringt, zumal selbst Nancy Pelosi, alt-ehrwürdige Sprecherin des Weißen Hauses, die Seher ihres YouTube Channels gerickrolled hat. Hoch offiziell. Sicher, Obama ist der Social Media Präsident, aber ist denn nie Schluss mit (halb)lustig?

Das berüchtigte Diskussionsforum 4chan gilt gemeinhin als „Meme Factory“, als Geburtsstätte der meisten Internet Meme. Warum vermag nicht einmal „moot“, 4chans Betreiber und Gründer, so recht zu erklären. Die Genese eines Mems sieht er jedoch so: Erstens – poste etwas, das zumindest entfernt lustig sein könnte. Zweitens – wiederhole es ad nauseam. Drittens – get lucky!

Mutiere ich gerade zur stänkernden Kulturpessimistin? Na gut, ich gebe zu, dass ich auch nicht immun bin. Das auf Facebook grassierende Record-Thingy-Spiel, bei dem erfundene Plattencover von erfundenen Bands gephotoshopt wurden, habe ich verzückt mitgetragen. Und kleine freundliche Twitter-Meme, wie den Follow Friday für User-Empfehlungen, finde ich eigentlich charmant.

Aber ist das echt lustiger als LOLcats? Nervt das weniger als Rickrolling? Nö. Eine Verträglichkeitschart für Meme gibt es nicht.

Lieblings-Medienwissenschafterin Jana Herwig bringt es auf den Punkt: „Meme lassen sich nicht als globales Phänomen erfassen. Damit man angesteckt wird, bedarf es der passenden (kulturellen wie individuellen) Disposition.“

Bei mir ist diese Disposition klar umrissen: LOLcats – nein danke. Lustige Eulen – garantiert nicht. Chuck Norris Witze – ok, manchmal.

Letzen Endes kann man sich ja auch nicht gänzlich entziehen. Herwig stellt die Vermutung an, dass „das Individuum aus der gesellschaftlichen Isolation befreit wird durch telemedial vermitteltes, gemeinsames Agieren.“ Starker Tobak, denn somit wäre ein mem-loses Dasein einfach nur traurig.

Ich halt besser mal Ausschau nach Rick Astley.

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